Wo die Weite zählt
28.05.2013Als einzige Frau im Fliegerbauteam, ist da Durchsetzungsvermögen gefragt? Schon der Gesichtsausdruck von Lena macht deutlich: Die Frage ist so etwas von daneben. „Das ist total egal, ob Junge oder Mädchen, es hängt halt davon ab, wie gut man arbeitet.“ Punkt. Und das Teufengel Airlines-Team, zu dem Lena gehört, hat gut gearbeitet. Zunächst haben die vier Ohmoor-Gymnasiasten das Kompendium von Detlef Schulze, Professor für Aerodynamik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg HAW, genau studiert und so lange durchgesprochen, bis jeder alles verstanden hat. „Es hätte vielleicht gereicht, einfach nur die Formeln zu benutzen, ohne sich da hinein zu fuchsen“, meint Lena. Das habe Zeit gekostet, die hinterher für den Bau und das Austesten gefehlt habe. „Aber ich glaube, es war durchaus eine Hilfe, dass wir alles verstanden haben.“
Dritter Hamburger Wurfgleiterwettbewerb
Bestimmt. Der „Teufengel“ fliegt satte 15 Meter. Das ist für einen Wurfgleiter aus Hartschaumplatten eine sehr gute Strecke. Und für die 18 Meter lange Landebahn in der Aula der HAW Hamburg gerade noch machbar. Die Schüler starten ihre selbst gebauten Flieger von der Bühne mit einem Katapult. Rechts und links von der Landebahn unterstützen die anderen Teams mit Applaus und manchmal auch mit Sprüchen. Denn der Graben verläuft nicht zwischen Mädchen und Jungen beim dritten Hamburger Wurfgleiterwettbewerb im NAT-Modul „Aerodynamik“. Er verläuft geradewegs durch die Landebahn und damit zwischen den beteiligten Schulen Gymnasium Ohmoor und Margaretha-Rothe-Gymnasium (MRG).
Schön gemacht
Auf der Bühne steht das nächste Team vom Gymnasium Ohmoor. Es heißt „Epron“, das „E“ symbolisieren drei Punkte. Eine Anspielung auf die Dämmplatten Depron, die für den Modellbau prädestiniert sind. Jasmina, Julia, Daniel und Marvin haben damit sehr sauber gebaut. Wozu die Winkel, will Professor Schulze wissen und zeigt auf winzig kleine Depronstücke unter dem Tragflügel: „Um die Flächen genau im rechten Winkel einsetzen zu können“, erklärt Julia. „Das ist schön gemacht“, lobt der Leiter des Departments für Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau.
Profile am Katapult
Das Modell gleitet vor allem schön und sauber, nahezu bei jedem Flug sind es um die 14 Meter. Jasmina prüft die Abschusswinkel am Katapult in aller Ruhe, bevor sie den Starthebel drückt. „Die wird bestimmt mal Physik studieren“, kommentiert Duygu von der anderen Saalseite. Das meint die MRG-Schülerin keineswegs abfällig. Im Gegenteil. Die 16-Jährige erkennt an, dass die „Epron-Gruppe“ einfach sauberer gearbeitet und gerechnet hat als ihr eigenes Team um den „AC 130“. Aber sie will weder sich noch ihre Schule auf der Verliererseite sehen. „Am Anfang hat man gar nichts verstanden, am Ende weiß man, wozu die Formeln gut sind, dann macht es auch Spaß.“
Eiger-Nordwand bezwungen
Die vielen Fragezeichen am Anfang des Seminars beziehen sich auf das Kompendium von Professor Schulze. Das sei in der Tat sehr anspruchsvoll, bestätigt der dazugehörige Physiklehrer Patrick Stüver. „Für die Schüler ist das eine Eiger-Nordwand gewesen.“ Die mit Hilfe der Tutoren von der HAW Hamburg, eigenem Durchhaltewillen und einem Excel-Crashkurs bezwungen wurde. Nicht ohne Durststrecken und Motivationslöcher, wie Duygu zugibt. „Aber man musste an den Rechnungen dranbleiben, um die Werte herauszubekommen“, sagt Teamkollegin Kim. „Das fand ich gerade gut.“
Momente zum Abheben
Das Team der beiden Oberstufenschülerinnen ist schon im ersten Durchlauf ausgeschieden. Jetzt drücken sie dem Jungsteam ihrer Schule für die Endrunde die Daumen: „Die haben sich da richtig reingekniet, die haben es verdient“, sagt Duygu. Es ist dieser Zusammenhalt innerhalb der Physikprofile, der schulübergreifend wirkt. Dass sie die Minderheit in einem naturwissenschaftlichen Profil bilden, sind diese Mädchen gewohnt. Dass es anders als in anderen Profilen ein soziales Miteinander gibt, war für Paula, Ohmoor-Schülerin, ein Grund, sich für das Physik-Profil zu entscheiden. Der zweite heißt Faszination: „Es heißt immer, Physik ist theoretisch und dann bauen wir einen Flieger, der 16 Meter fliegt. Diese Erfolgsmomente sind immer wieder schön.“
Die Welt in Zahlen ausgedrückt
Dass „Super Fly“ es trotz der 16 Meter im Handwurf nicht auf das Siegertreppchen geschafft hat, ist Paula egal. Es haben halt noch andere gut gerechnet. „Wir rechnen im Nanometerbereich und am Ende passt es in der Praxis. Das ist faszinierend.“ Jetzt hüpft die 17-Jährige auf die Bühne. Sie muss doch ihren Profilkameraden gratulieren. Die „Teufengel“ holen den dritten Platz, die „Tornado“-Jungs vom MRG den zweiten und „Epron“ den ersten. „Wir haben ja ein Mathegenie in unserer Gruppe“, erklärt Julia und zeigt auf Jasmina. Paula nickt anerkennend: „Wir schaffen es einfach, die Welt in Zahlen auszudrücken.“