Was Menschen wollen sollen: Lise-Meitner-Gymnasiasten besuchen Konferenz der HSU

18.12.2014

Orange gibt den Ton an. Auf den Tischen, den Stellwänden und demzufolge auch im Publikum: Die Mehrheit der Konferenzteilnehmer an der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) ist zwischen 25 und 50 Jahre alt. Für diese Altersgruppe steht die Farbe Orange, während die über 50-Jährigen in den Workshops mit grünen Karteikarten arbeiten und die unter 25-Jährigen mit gelben. Eine Farbe, die fast ausschließlich für die Physik-Profilschüler vom Lise-Meitner-Gymnasium steht: „Warum sind wir die einzigen unter 25?“, will Malte wissen. „Es sind nur wenige Studierende hier und wenn, sind sie mit der Organisation der Veranstaltung beschäftigt“, antwortet Ingenieur Tobias Redlich. „Und die wissenschaftlichen Mitarbeiter sind häufig schon viel älter als 25, Herr Weidner ist 28 und ich bin über 30.“

Technische Unterstützungssysteme, die Menschen wirklich wollen

Die Schüler schmunzeln. Robert Weidner forscht zusammen mit Redlich am Laboratorium für Fertigungstechnik der HSU über „Mensch-Maschine-Hybride“. Dazu wollten ihn die Schüler im Rahmen ihres Seminarfachs interviewen, stattdessen lud der Wissenschaftler zu der Konferenz „Technische Unterstützungssysteme, die die Menschen wirklich wollen“ ein. Ein Thema, das voll ins Physikprofil mit dem Begleitfach Philosophie passte: „Das Abiturthema ist Ethik und wir als Physikprofil interpretieren das im Sinne von Technikethik“, erklärt Philosophielehrer Moritz Reiffers. Wobei die Konferenz einen konkreteren Ansatz als der Unterricht verfolge: „In der Philosophie sucht man die Probleme, hier sollen diese nach Möglichkeit vermieden werden.“

Was Menschen wollen sollen
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Smarte Session mit prallen Postern

Die Interviews haben die Elftklässler aber dennoch durchgeführt und in Kleingruppen beispielsweise einen Schüler, eine Lehrerin oder Wissenschaftler interviewt. Eine Einleitung ins Thema, die Antworten sowie eine eigene Stellungnahme haben sie zu Papier gebracht, genauer aufs Plakat – und schließlich im Vorraum des Aula-Gebäudes der HSU aufgehängt. „Das ist jetzt ein bisschen viel Text“, sagt Michael Decker. Der Professor am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (KIT-ITAS) in Karlsruhe hat den Eröffnungsvortrag an diesem zweiten Konferenztag gehalten, dann einen der drei Workshops zum Thema Anforderungen an technische Unterstützungssysteme geleitet. Nun interessiert er sich für die Erfahrungen der Teilnehmer mit den gelben Karteikarten und bleibt an einem Interview mit einem Teilchenphysiker hängen: „Mich würde interessieren, hat der Wissenschaftler seine Forschung auch selbst hinterfragt?“

Was Menschen wollen sollen
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Eine Frage der Verantwortung und Selbstkritik

Verteilungsgerechtigkeit in der Forschung zählt auch zu den ethischen Themen, die den Physiker umtreiben, aber das haben weder die Schüler noch die Interviewten im Blick gehabt. „Es ging eher um die Verantwortungsfrage“, erklärt Lea ihr Plakat. Oder wie es Jeffs Interviewpartnerin ausdrückte: „Wenn Menschen ein Mikroskop haben, schieben sie auch Sachen darunter.“ Das schließe die Verantwortung der Wissenschaftler bei ihren Forschungen ein. „Hat Sie das Interview inspiriert oder abgeschreckt?“, will nun ein anderer Besucher wissen. Er heißt Arnulf Deinzer, ist Informatikprofessor und mit seinen Studenten von der Hochschule Kempten nach Hamburg gereist.

Posterpreise für den Nachwuchs

Auch wenn Jeff selbst nicht Physik studieren will, ist er ganz sicher: „Viele aus dem Kurs werden das auf jeden Fall tun.“ Im Gegenzug interessiert sich der 17-jährige nun für die Poster der Hochschule Kempten: Sie veranschaulichen die Sensorentechnik einer intelligenten Zahnbürste, die Bewegungen und Druck bei der Zahnreinigung individuell unterstützt. Jeff staunt – das ist ein völlig anderer Zugang zum Konferenzthema als der eigene. Doch gerade für ihre philosophisch-kritischen Poster werden die Schüler am Ende ausgezeichnet und mit Kinogutscheinen beschenkt. Vermutlich auch ein Tribut an die Vertreter der „gelben Zielgruppe“, die sich von Anfang bis Ende auf der Konferenz beteiligt haben.

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