Denken ohne Rucksack: mint:pink startet zum sechsten Mal gegen die Kette aus Klischees
27.02.2019Die letzten Visitenkarten des „Chief Technology Officer Airbus“ sind verteilt, die Frage nach Schülerpraktika ist beantwortet und die Zeit längst um. Aber die Mädchen bleiben. Sie stehen um einen Rednertisch auf der Bühne, auf der Grazia Vittadini bereits Fragen einer Schülerin beantwortet hat. Isabel, ehemalige mint:pink Teilnehmerin, befragte die Airbus Technikchefin vor großem Publikum im Atrium der ECE nach ihrem Werdegang und dem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik – als eine von drei Frauen unter 300 Studenten. Celine, eine der neu gestarteten mint:pink Teilnehmerinnen hat aufmerksam zugehört. Nun steht die 13-Jährige zusammen mit anderen Schülerinnen selbst auf der Bühne, schon halb im Aufbruch begriffen, die Jacke bereits zugeknöpft, nur noch diese eine Frage an Vittadini: „Haben Sie einen Tipp, wie man seine Ziele, und seien diese noch so hochgesteckt, tatsächlich erreichen kann?“
Computerchips und Cremeproduktion in direkter Nachbarschaft
Es ist der sechste Start des Mutmach-Programms mint:pink. Es macht schon Mittelstufenschülerinnen in der Praxis mit der beruflichen Option von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, kurz MINT, vertraut. Das setzt viele starke Partner voraus: Unternehmen und Labore, die ihre Türe öffnen, Sponsoren und Förderer, die sich einbringen. So wie die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, die von Anfang an dabei ist: „Das war damals die richtige Entscheidung“, sagt Staatsrat Torsten Sevecke. „Wir haben in Hamburg unglaublich viel Industrie, Forschung und Entwicklung und wir wollen das ausbauen.“ Das gehe aber nur, wenn genügend Nachwuchskräfte bereitstünden: „Man muss sich rechtzeitig um die besten Köpfe bemühen“, betont der promovierte Jurist. „Ich kann nur jeden einladen, bei mint:pink mitzumachen.“
Deutschlands Stärken stärken
Die ECE hat das getan. Der Entwickler von Shoppingcentern und Gewerbeimmobilien beherbergt nicht nur die Initiative NAT, die mint:pink verantwortet, sondern auch den Programmstart im frei geräumten Atrium. „Es ist uns ein Anliegen, mehr Diversität in Unternehmen zu schaffen“, sagt Alexander Otto, Vorsitzender der ECE Geschäftsführung. Die ECE habe sich schon drastisch verändert, der Frauenanteil liegt bei 60 Prozent und Frauen seien für die neuen beruflichen Anforderungen topgeeignet, stark im vernetzten Denken und gut in der Schule – auch in MINT-Fächern: „Ich finde den Fokus auf Naturwissenschaft, Technik sowie Praxisorientierung total wichtig, auch gerade für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt.“ An der Zukunft basteln, sich ausprobieren, was Neues trauen – das wünscht der ECE-Chef den Mädchen zum Programmstart.
Einen Schritt nach dem anderen
MINT, Mädchen, jenseits des Mainstreams – es ist genau diese Schnittmenge, die Grazia Vittadini verkörpert und die sie zum XXL-Vorbild macht. Als sie am Anfang ihrer Karriere mitentscheiden konnte, welche Werkstoffe im A380 verbaut werden sollten, gab es eine sehr starke deutsche und eine sehr starke französische Meinung: „Ich als Italienerin hatte die Freiheit, mich für das Beste zu entscheiden.“ Neu denken ohne „Rucksack“, das mache Diversität so wichtig. Und da dürfe man sich nicht von Vorurteilen aufhalten lassen, sagt Vittadini, der ein Professor allenfalls eine Karriere als Lehrerin prophezeit hatte. „Immer einen Schritt nach dem anderen tun“, wendet sich die Vorstandsfrau an Celine. Und nicht damit aufhören: „Ich träume vom leisen, emissionsfreien Flugzeug, das sind hochfliegende Ambitionen, aber ich gebe sie nicht auf, wir forschen daran.“ Celine nickt, mit der Botschaft kann die Lessing-Gymnasiastin etwas anfangen. Die Welt ein wenig besser machen. Schritt für Schritt.