Claus Emmelmann vor dem Deutschen Zukunftspreis
02.12.2016Schon die Nominierung ist eine Auszeichnung und sichert einen Platz im Deutschen Museum. „Das werde ich meinen Kindern und Enkelkindern auf jeden Fall zeigen: Papa in der Hall of Fame“, scherzt Claus Emmelmann. Mit Chance kann der Geschäftsführer des Laser Zentrums Nord seiner Familie bald noch mehr präsentieren: die Trophäe des Deutschen Zukunftspreises, den der Bundespräsident für volkswirtschaftlich bedeutsame technische Forschungsprojekte vergibt. Der TUHH-Professor ist dafür im Team mit Peter Sander, Airbus Operations GmbH, und Frank Herzog, Concept Laser GmbH, nominiert. Den drei Forschern gelang es, den 3D-Druck für metallische Bauteile zu nutzen und auch große Bauteile, wie sie im Flugzeugbau benötigt werden, weitgehend spannungsfrei drucken zu lassen. Vor der Preisverleihung (übertragen im ZDF, 2. Dezember, 22:30 Uhr) nahm sich Emmelmann Zeit für die Fragen von NAT.
Herr Professor Emmelmann, bitte stellen Ihre Technologie kurz vor...
Was wir machen, ist das dreidimensionale Laserschweißen: Im Kunststoffbereich gibt es das schon seit über 20 Jahren, aber beim Metall ist das schwieriger, weil die Schmelzpunkte viel höher sind. Seit wir aber mit Faserlasern und extrem hohen Energien im Fokus arbeiten, können wir das Metall komplett durchschmelzen und darüber eine Struktur aufbauen, statt wie sonst üblich das Material zu zerspanen. Die Natur ist dabei Vorlage: Die Blume wächst und wird nicht reduziert. Wir sind aber auch bionisch, was die Konstruktionen angeht. Wir untersuchen Algen, Seerosen, Netzwerkstrukturen – und entwickeln daraus Algorithmen. Daher reden wir auch ständig von der Bionik, was unseren Mitbewerbern bisweilen auf die Nerven geht.
Welche der „bionic products“ fliegen in einem Airbus schon mit?
Seit fast zwei Jahren sind Titanhalter im A350 im Einsatz. Auf Langstreckenflügen muss sich die Crew ja ausruhen können, dafür gibt es Ruhekabinen, die aufgehängt werden – mittlerweile auf Haltern, die 40 Prozent weniger Gewicht als die konventionellen Modelle haben. Vorher hatten wir schon einen Halter mit bionischen Strukturen und 50 Prozent weniger Gewicht für den A380 entwickelt. Aber es war nicht so, dass uns das aus den Händen gerissen wurde. Die Technologie ist so disruptiv, dass die Leute das gar nicht wollen. Es verändert sich ja alles, und wer sein ganzes Leben lang zerspant hat und für die hohe Qualität geradestehen muss, wartet erst mal lieber ab. Dennoch habe ich bei Neueröffnung des Laserzentrums die Hälfte der Investition in die Maschinen für 3D-Druck gesteckt. Das war Risiko.
Was hat Sie so stark motiviert, an Ihrer Idee festzuhalten?
Ich habe daran geglaubt! Ich bin zehn Jahre in der Industrie gewesen, habe Lasertechnik inhaliert und gesehen, wie sich Märkte entwickeln und welche Zeiten das braucht. Das war eine ganz wichtige Erfahrung. Ich wusste, auch wenn es funktioniert, brauchst du einen langen Atem und musst es auch verkaufen. Dazu habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut und mit Glück die richtigen Sparringspartner gefunden – so Verrückte wie mich. Der Sander ist so ein Fall. Der stellt sich hin und sagt: „Ihr mit euren Fabriken, das ist doch nicht mehr zeitgemäß.“ Der Zerspananteil bei Airbus im Werk Varel liegt bei bis zu 95 Prozent. Dagegen setzen wir eine absolut grüne, hocheffiziente Technologie, die aber auch die Arbeitswelt revolutioniert. Was da passiert, ist nicht nur toll. Es wird sich für die Beschäftigten viel verändern.
Was lautet Ihre Prognose für die nächsten zehn Jahre?
Wir haben in diesem Jahr ungefähr eine Milliarde Umsatz mit Metalldrucken gehabt. Man geht davon aus, dass der Markt in zehn Jahren auf 100 Milliarden angewachsen ist. Das wäre dann aber nur ein Prozent der industriellen Gesamtwirtschaftsleistung weltweit, das ist immer noch ganz klein. Aber die Technologie wird sich dann etabliert haben mit einer weit höheren Produktivität als heute. Damit werden die Bauteiler billiger als das Fräsen. Es gibt viele, die das abwarten wollen, aber das ist falsch. Denn die Bauteile verändern sich und die Konkurrenz wird mit bionischen Produkten und Patenten vorangehen. Diese Chance sollten wir nicht vergeben, wir sind das Pionierland und es darf uns nicht passieren wie beim Fax oder anderen Innovationen, dass wir das erfinden und andere es dann umsetzen.