Vom Glück, Stifter zu sein - Helmut Meyer: Ingenieur, Unternehmer und Stifter

27.09.2011

Der Kaffee ist schuld. Weil sich der Transport einer vollen Tasse in der Cafeteria im Hamburg Airport schlecht mit dem sperrigen Alukoffer verträgt, lässt Helmut Meyer diesen kurzerhand allein zurück – und bekommt dafür prompt einen Rüffel von der Sicherheitsbeauftragten. „Natürlich, Sie haben recht, die Terror-Warnung“, sagt der Unternehmer und entschuldigt sich sofort. Dabei ist es schon skurril, dass einer wie er unter Terrorverdacht geraten kann: „Abwehr von Sprengstoffanschlägen und Katastrophenschutz, das sind ja gerade unsere Themen.“

Drehtainer - Dinge beim Namen nennen

Uns, damit ist die Firma Drehtainer gemeint, die Helmut Meyer gemeinsam mit dem Ingenieur Peter Neugebauer 1974 gründete. Damals erlebte der Containerhandel einen ersten Boom. Wartungsfirmen schossen wie Pilze aus dem Boden, aber sie schmückten sich mit Kürzeln wie HCS oder HCCR. Meyer wollte das Bodenständige: „Was machen wir? Wir drehen Container bei der Reparatur“, sinnierte der gelernte Schiffsbetriebstechniker während einer Autofahrt und beschloss, die Dinge beim Namen zu nennen. Auch wenn Drehtainer ein komischer Name für ein Unternehmen sei. „Aber man prägt ihn sich ein.“

Fertigungsunternehmen lockt Macher Meyer

Von der Containerwartung ist Drehtainer allerdings heute meilenweit entfernt. 1982 bot die Bürgengemeinschaft des Handwerks den Geschäftsführern ein in Konkurs geratenes Fertigungsunternehmen an. Das lockte den Macher in Meyer: „Nur Container zu reparieren, war mir wirklich zu wenig.“ Auch wenn das ein Sprung ins kalte Wasser war – und von da an auf jeden Fall die Zeit fehlte, den Namen zu ändern, was Meyer eigentlich vorgehabt hatte. Dafür kämpfte er fortan mit der Konkursmasse: „Die guten Leute sind weg, das Image ist weg, der Markt eingebrochen – es war schrecklich.“

Wandel gemeinsam durchstehen

Dazu eine enorme, risikoreiche Investition: Meyer setzte sein Haus und seine Lebensversicherung ein – nur nicht seine Ehe. „Meine Frau hat mich in dieser schweren Zeit voll unterstützt.“ Wenn er nicht mehr aus und ein wusste, die Unternehmensschulden immer höher kletterten, stand sie hinter ihm. „Du schaffst das, wir stehen das jetzt gemeinsam durch.“ Gemeinsam und mit finanzieller Unterstützung eines Investors schaffte Drehtainer den Wandel vom Reparaturbetrieb hin zur Fertigung.

Vom Glück, Stifter zu sein
Vom Glück, Stifter zu sein
Vom Glück, Stifter zu sein
Vom Glück, Stifter zu sein

Neues Standbein Katastrophenschutz neben Spezialcontainern

Heute fertigt das Unternehmen Spezialcontainer in den Bereichen Wehr-, Nuklear- und Sicherheitstechnik – alles Felder, die nicht nur mit betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu bemessen sind, wie Meyer betont: „Es gibt riesige Schwankungen, weil man ja auch von den Entscheidungen der Politik abhängig ist.“ Werden Kraftwerke abgeschaltet oder nicht; bleibt die Bundeswehr in Afghanistan oder nicht: Um unabhängiger zu werden, baut Drehtainer mit dem Katastrophenschutz ein neues Standbein auf. „Ich habe gerade heute ein längeres Gespräch geführt, wonach wir gute Chancen haben, in Indien und im Mittleren Osten in den Markt zu kommen – und zwar schon im nächsten Jahr.“

Was eventuell dabei rauskommt

Anders gesagt, man könne nur dann prächtige Musikhallen bauen und Museen aufrechterhalten, wenn auch die entsprechenden Steuergelder fließen. Dass die Kultur in unserer Gesellschaft ein besseres Image hat als die Technik, ärgert den Unternehmer. Ebenso wie er weiß, dass eine technische Stiftung nicht so „sexy“ sei wie ein Kinderhilfswerk. „Mit einer sozialen Stiftung kann man sein Gewissen einfach besser beruhigen.“ Aber weder die Gewissensfrage, noch die Stiftung selbst stehen für Meyer an erster Stelle: „Es geht mir um das, was eventuell dabei herauskommt.“ Mehr technologisch interessierter Nachwuchs, beispielsweise.

Der Preis, den ich zahlen muss

Spricht so einer, der seine Hauptanteile vor fünf Jahren verkauft hat und mit 69 Jahren eigentlich längst das Ruhestandsalter erreicht hat? 10 Prozent der Anteile hält Meyer noch am Unternehmen Drehtainer, aber sein Engagement hat er dennoch kaum zurückgefahren. Mal abgesehen vom Freitag, den er in der Regel im häuslichen Büro und nicht an der „Alten Grenze“ zu Mecklenburg-Vorpommern am Unternehmensstandort verbringt. Dafür arbeitet er dann auch mal am Samstag oder morgens ab 4.00 Uhr, wenn neue Ideen den Schlaf rauben. „Das ist eben der Preis, den ich zahlen muss.“ Der Preis für eine Lebensaufgabe. „Es ist eine große Freiheit zu wissen, dass ich jederzeit aufhören kann. Aber täte ich es, würde ich vermutlich in ein Loch fallen.“

Vom Glück, Stifter zu sein
Vom Glück, Stifter zu sein
Vom Glück, Stifter zu sein
Helmut Meyer, Vorsitzender des NAT-Förderkreises

Erfahrungen weitergeben - junge Leute begeistern

Neues wagen, Ideen voranbringen, Technik entwickeln – so groß die Herausforderungen in der Vergangenheit auch waren, Meyer wusste immer, er ist am richtigen Platz. Ein wenig von seiner Erfahrung möchte er weitergeben. Junge Leute dafür begeistern, technische Berufe zu ergreifen: Helmut Meyer ist Stifter und zwar in dem Bereich, den er für essentiell hält für Deutschlands Zukunft. „Wir haben in Deutschland nur die Chance, etwas mit den Köpfen zu bewegen. Und zwar vor allem dort, wo echtes Bruttosozialprodukt geschaffen wird, in der Technologie“, betont er und fügt hinzu: „Man muss sich den Wohlstand ja auch erarbeiten.“

Stiften leicht gemacht - Helmut Meyer gründet Technologie-Stiftung

Den Anstoß gab ein Mitarbeiter der Hamburger Sparkasse, der ihn persönlich ansprach: Stiften gehe ganz einfach, die Haspa Hamburg Stiftung übernehme die Formalien, Meyer könne den Zweck und auch den Namen frei festlegen. Der Unternehmer gründete die „Helmut Meyer Technologie-Stiftung“, die er inzwischen in „Hamburger Technologie-Stiftung“ umbenannt hat. „Ich hoffe, damit mehr Zustifter und Spender zu gewinnen.“ Leute, die zwar von der Sache überzeugt seinen, aber nicht „irgendeinem Meyer“ Geld geben wollten.

Mit relativ wenig Geld so viel Erfolg produzieren

Das Handy vibriert. Er entschuldigt sich, schaut kurz auf das Display und konstatiert: „Nee, das brauche ich jetzt nicht.“ Schon blickt er wieder strahlend durch die Brillengläser. Wo waren wir stehen geblieben? Beim Stiftungsgedanke, warum er das tut und auch noch andere in seinem Bekanntenkreis davon überzeugen will. Ist er wirklich so uneigennützig und uneitel? „Ganz und gar nicht“, sagt Meyer über Meyer und wird philosophisch: „Der Mensch will stets belohnt werden. Jeder ist ein Egoist.“ Was das betrifft, hat er mit seiner Stiftung richtig Glück gehabt: Vor drei Jahren hat sie der Initiative NaT das Gründungskapital bereitgestellt und ist seitdem einer der Träger. Ein echter Treffer sei das: „Weil die NaT doch mit relativ wenig Geld so viel Erfolg produziert.“

GmbH für Stiftungsglücksgefühle

Vor ein paar Monaten hat Meyer seine Stiftungsglücksgefühle wissenschaftlich bestätigt bekommen. Im Flugzeug war das, beim Durchblättern des Focus-Magazins. Vom Glück des Stiftens war da zu lesen: „Beim Stiften sollen Botenstoffe entstehen, die vergleichbar sind mit den Glückshormonen, die man bei jungen Müttern nach der Entbindung nachgewiesen hat.“ Vor allem, wenn die Geburt so einfach ist, wie im Fall der NaT: Die Initiative brauchte eine rechtskräftige Form, um die Anschubfinanzierung der Wirtschaftsbehörde und Arbeitsagentur entgegennehmen zu können. Meyer hatte eine GmbH über und schob das Kapital einfach weiter. „Ich habe in meinem Leben schon viel investiert in Dinge, die sich in Rauch aufgelöst haben. Aber hier ist das anders und das ist das Schöne.“

Unterstützung für Berufswahl Schlosser

Helmut Meyer pocht auf den Tisch, zieht die Vokale lang und rollt das R: er ist ein waschechter Norddeutscher, ein Sprössling einer Familie von Landwirten. Dass er etwas anderes machen durfte, als der Rest der Familie, verdankt er seinem Vater. Der erkannte sein Interesse an Technik und ließ ihn gewähren. Zuerst die Schlosserlehre, dann die Fachhochschule für Schiffsbetriebstechnik. Seitdem weiß der Unternehmer, wie wichtig es ist, Eltern in solche Initiativen wie die NaT stärker einzubinden.

Ich kann das nur gemeinsam mit anderen tun

Das zweite Ziel, das er sich für die nächste Zeit vorgenommen hat, ist die finanzielle Grundlage der Initiative weiter zu sichern. „Wir brauchen nicht nur Unternehmer, die sich operativ engagieren, sondern auch finanziell.“ Aber das ist nicht immer einfach. Nicht überall sei die Bereitschaft vorhanden, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Manche Unternehmer entgegneten: „Wieso spendest du, das hast du dir doch selbst erarbeitet.“ Das sieht der 69-Jährige anders: „Ich kann nie alleine etwas erarbeiten, ich kann das nur gemeinsam mit anderen tun.“

Es hätte ja auch anders kommen können

Seinen 70. Geburtstag will Meyer daher auch nicht im Hotel Riverside feiern, wie vorgeschlagen wurde, sondern im Kreise seiner Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern. Da wird dann vielleicht auch wieder Gesprächsthema sein, dass er viel mehr Geld hätte verdienen können, wenn er seine Anteile nicht vor fünf Jahren  verkauft, sondern bis heute gehalten hätte: Die letzten zwei, drei Jahre haben der Sicherheitstechnik viel Auftrieb gegeben. „Alles zu seiner Zeit“, sagt Meyer und lacht, „es hätte ja auch anders kommen können.“ Der Blick auf das Girokonto am Ende des Monats ist nicht das, was ihn glücklich macht. „Das ist doch armselig.“

Nur noch Dinge, die mir Spaß machen

Aber jetzt muss er los, auf nach Wien zu einem Kundengespräch mit dem Opel-Übernahmekandidat Magna, um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. „Ich mache nur noch die Dinge, die mir Spaß machen.“ Kein Tagesgeschäft, kein Personal, aber Entwicklung und Verkauf. Unter drei Bedingungen: die Gesundheit muss mitspielen, die Zusammenarbeit mit den beiden Geschäftspartnern im Unternehmen stimmen und die Kunden sollten Interesse an dem Termin signalisieren: „Ich will nicht anfangen, Klinken zu putzen.“ Aber so lange man dem Kunden noch weiterhelfen kann, dürfte das kein Problem sein, ergänzt der Unternehmer noch im Aufbruch. Jetzt schnell den Mantel übergeschlagen, die Stufen im Eilschritt runter – und bloß nicht den Koffer stehen lassen.

Beitrag teilen