NAT-Schülerbeirat im Gespräch mit Samy Deluxe
20.07.2017Die Formeln sind längst verschüttet, die Inhalte aus Akustik, Optik und Elektrik nie richtig angekommen, dennoch hat Samy Sorge alias Deluxe sofort ein Bild im Kopf, als es um den Physikunterricht geht – eines das den Rapper zum Lachen bringt. Und das liegt an „Herrn Elvers aus Schleswig-Holstein. Der war damals schon sehr alt und völlig fasziniert von der Physik“, zudem stolperte er mit routinierter Selbstverständlichkeit und feuchter Aussprache über den spitzen Stein. Samy führt das am Begriff „Starkstrom“ gekonnt vor, nun lachen Leon, Johanna und Miguel. Die drei Schüler aus dem NAT-Schülerbeirat sind an diesem Sommertag in die Körber-Stiftung gekommen, um den Rapper zu interviewen. Sie wollen wissen, warum er bereit ist, am zehnten Jahrestag der Initiative NAT in der Elbphilharmonie aufzutreten und wieso er sich für junge Menschen engagiert.
Attention auf Menschen
„Ich bin ein großer Fan von Können und Wissen – und nicht von Haben“, erklärt der Rapper mit dem tiefen, warmen Bass, legt ein Bein auf das andere, blickt freundlich in die Runde und ergänzt: „Haben ist auch schön, aber das kann schnell weg sein.“ Das Können dagegen bleibe, es biete jungen Leuten Perspektiven und vermittele Erfolgserlebnisse. Daher hat der Künstler Hip-Hop Workshops für Schüler im Angebot. Die Bausteine sind Tanzen, Graffiti, Musik, DJ und wer nicht künstlerisch auftreten möchte, geht ins Organisationsteam und bereitet eine Aufführung vor. Genau wie der NAT-Schülerbeirat, der den Schülerklimakongress auf die Beine gestellt und eine Ministerin ins Boot geholt hat: „Überlegt mal, wie krass viel habt ihr dabei gelernt, seid bis zur Regierung gekommen und habt den Horizont erweitert, darum geht es“, lobt Samy. Dass die Schüler so viel Eigeninitiative gezeigt haben, war für den Künstler ausschlaggebend.
Keine Panik vor Mechanik
Gerade auch nicht privilegierten Menschen eine Möglichkeit geben, sich auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln, ist das Ziel. So wie Samy Sorge nach einem verpatzten Schuljahr die eigene Schreib- und Zeichenleidenschaft entdeckte, als die Mutter ihn übergangsweise zu Bekannten nach England aufs Land geschickt hatte: „Aus einer Zwei-Millionen-Stadt in ein Zweihundert-Seelendorf, das hat mich ziemlich runtergebracht und ich habe gelernt, mich mit mir selbst zu beschäftigen.“ So wie der Abiturient Miguel heute schon weiß, dass die Physik seine Zukunft sein wird: „Ich will den Prozess verstehen, die Grundlagen kapieren, das finde ich interessant.“ Johanna, Zehntklässlerin der Sophie-Barat-Schule, mag es, dass in den Naturwissenschaften richtig und falsch klar sind und Leon, Elftklässer des Heilwig Gymnasiums, die logischen Strukturen dahinter: „Wenn man versteht, warum und wie ein Pendel funktioniert, kann man sich auch viel in der Welt erklären.“
Sei enorm, nicht konform
Samy nickt. Die Welt zu verstehen und zu ergründen, ist auch seine Sache. Dabei schwankt der Philosoph zwischen Hoffnung und Zynismus: „Menschen haben immer Angst vor etwas Fremden und einen krassen eigennützigen Drang.“ Was seine Hauptbotschaft dabei an Jugendliche sei, will Johanna wissen: „Trau dich, dich auszudrücken, schaffe mit Fantasie etwas ganz Neues aus nichts.“ Das sei einerseits durch die Reizüberflutung schwerer geworden. „Andererseits hat eure Generation auch einen krassen Vorteil, weil die Tools alle da sind, etwa Tutorials im Internet, um ein Instrument zu lernen.“ Oder auch der Rap, der die Mathematikformel zur Eselsbrücke macht, erzählen die Schüler. „Das ist doch Hammer“, findet Samy. Vielleicht sollte sich sein nächstes Album mal um Quantenphysik drehen. Und so kommen Welten zusammen, auf jeden Fall am 12. September in der Elbphilharmonie.