Viel Physik – und was man damit macht, ist Kultur! Fünf Jahre Profiloberstufe – fünf Jahre Kooperation zwischen Schule, Wirtschaft und Wissenschaft

10.10.2014

Es ist eine Brücke von der Schule in die Praxis und sie erweist sich als durchaus stabil: Nunmehr zum sechsten Mal besuchen Physikprofilschüler des Gymnasiums Osterbek das Ingenieurbüro „WTM Engineers“ und lernen die Grundlagen der Tragwerksplanung kennen. Sie entwerfen eine eigene Brücke nach genauen Vorgaben eines realen Wettbewerbs und stellen den WTM-Ingenieuren ihre Ergebnisse vor. Anschließend vergleichen die Jugendlichen ihre Ideen mit der Realität – hier handelt es sich um eine reale HafenCity-Brücke. Im zweiten Teil wechseln die Schüler dann an die HafenCity Universität Hamburg, wo sie eine eigene Vorlesung bekommen, in die Statik eingeführt werden und eine eigene Brücke bauen – dieses Mal nicht nur auf dem Papier, sondern aus Pappe mit Hilfe von Cutter, Schneidestahlschienen und Heißklebepistolen. Schließlich unterziehen sich alle Modelle einem Crashtest – wer hat das beste Tragwerk? Eine Menge Spaß, Lernstoff und gelegentlich auch Stress bedeutet die Brückenbauwoche für die Schüler – und für die Beteiligten sehr viel Aufwand. Warum sie dennoch erneut dabei sind:

Der Geschäftsführer: Dr. Ing. Stefan Ehmann

Unser Part in der Brückenbauwoche ist so, wie ich mir mein Studium gewünscht hätte: ein Kompaktkurs in zwei Tagen, bei der die Theorie in der Praxis überprüft wird. Unser Motto ist, schnell zum Erfolg kommen: Die Schüler bekommen ein paar Vorschlagsformeln an die Hand, wie einen großen Blumenstrauß, und sollen für die Bearbeitung der Wettbewerbsaufgabe die richtigen auswählen, das ist schon schwierig genug. Dann sollen sie aber auch das Erfolgserlebnis mitnehmen können. Anschließend sehen sie noch einmal in der Realität, was sie sich erarbeitet haben und analysieren auch andere Brücken und Brückenbauteile. Die gibt es ja hier auf ganz engem Raum in der HafenCity. Wir sind ganz glücklich, dass wir damit alle Schüler abholen und begeistern können. Jedenfalls ist das Feedback immer sehr positiv. Wir machen das, um unsere Begeisterung für den Beruf weiterzutragen, dem Fachkräftemangel zu begegnen und als eine gesellschaftliche Verpflichtung, der wir gerne nachkommen. Wir wären auch bereit, es in weiteren Schulen anzubieten.

Die Ingenieurin: Christine Schulte

Für mich persönlich ist auch der Kontakt zu den Schülern eine Bereicherung; zu erleben, wie sie mit Herzblut bei der Sache sind und hitzig um das richtige Tragwerk diskutieren, macht einfach Spaß. Ich finde, die sind schon sehr weit, zielstrebig und fokussiert. Ein Großteil kann sich aber unter dem Beruf des Bauingenieurs nichts vorstellen. Der Architekt ist jedem geläufig, aber dass da noch jemand anders dahinter steht, der die technische Seite beleuchtet, für Standsicherheit und eben auch für Kreativität sorgt, das wissen die meisten nicht. Dazu gelernt haben aber auch wir: Am Anfang haben wir den Schülern die gleichen Rahmenbedingungen aus unserem Wettbewerb gegeben, aber das war zu komplex und es fiel ihnen schwer, ein Gefühl für die Dimensionen und Kräfteverläufe zu gewinnen. Also haben wir das vereinfacht. Es ist schließlich unser Ziel, positive Erfolgserlebnisse und Kreativität  zu ermöglichen. Ich denke, die Brückenbauwoche ist für alle Beteiligten eine dankbare Sache.

Viel Physik
Viel Physik
Viel Physik
Viel Physik

Der Physiklehrer: Benno Grützmacher

Die Brückenbauwoche ist in unserer Profilplanung eine ganz feste Konstante, die überaus erfolgreich ist und bei den Schülern sehr gut ankommt. Sie ist zudem eine schöne Anwendung der Physik, an der man sehr viel sehen kann und ganz andere Zugänge bekommt. Wichtig auch, dass der Schulcharakter der Woche gering und der Einblick in außerschulische Welten groß ist: Vom Ingenieurbüro bis zur Universität, hier wird anders gearbeitet – und schon ist die Motivation der Schüler eine andere. Für mich persönlich ist es spannend zu sehen, was die Schüler daraus machen und wie sehr sie daran wachsen. Wenn sie am letzten Tag ihre Produkte mit Stolz präsentieren, dann hat man das Gefühl, sie kommen ein Stück größer heraus als sie reingegangen sind. Das ist ein erhebendes Gefühl. Mir ist aber noch ein anderer Aspekt ganz wichtig und da finde ich gerade das Thema Brücke so toll: Es steckt darin ganz viel Physik, aber dazu kommt noch der ästhetische Gedanke. Wenn man durch Hamburg läuft, hat man ganz viele Modelle, die man sich unter diesen beiden Gesichtspunkten angucken kann. Das heißt, die Schüler lernen hier exemplarisch, dass man das Fach anwendet, wenn man sich im Alltag durch die Stadt bewegt. Sie finden eine Art Passung zu dem, was sie lernen und das ist eine unglaubliche Aufwertung. Es wäre mein großer Wunsch, dass die Brückenbauwoche fortgeführt wird.

Der Professor: Dr. Ing. Michael Staffa

Unser Ziel heißt prozessorientiertes Lernen: Wie läuft ein Planungsprozess ab, wie die Diskussion und Entscheidungsfindung, welcher Handgriff kommt zuerst, um ein Produkt herzustellen, das möglichst gut ist? Ich habe mich immer für die Brückenbauwoche stark gemacht und würde das auch weiterhin tun, weil ich das total wichtig finde. So wie ich es an der Hochschule wichtiger finde, dass die Studierenden eine reale Baustelle besuchen, anstatt sie sich von mir erzählen zu lassen. Der Prozess und hinterher das Produkt, auf das man stolz ist, das zählt – auch wenn das im Abitur nicht abgeprüft wird. Übrigens ist das auch für uns ein Prozess gewesen und wir haben dazugelernt: Statt Zweimeterbrücken lassen wir jetzt Meterbrücken bauen, eine schnellere Klebetechnik verwenden und ich gebe nun gezieltere Anleitung zum Bau in meiner Vorlesung. Oberflansch, Unterflansch, Steg, Bauhöhe, das sind die wichtigen Begriffe, die ganze Zeit kommen wir darauf zurück und das ist Physik. Was man dann damit macht, ist Kultur. Wenn die Woche den Schülern etwas gebracht hat, werden die das nächste Mal anders über eine Brücke gehen, werden vielleicht nach Oberflansch, Unterflansch gucken und lernen, bewusster wahrzunehmen. Das ist mir wichtiger, als dass einige von ihnen vielleicht Bauingenieur werden wollen.

Viel Physik
Viel Physik
Viel Physik
Viel Physik

Die PGW-Lehrerin: Michaela Hiestermann

Ich bin ja zum ersten Mal dabei, insofern habe ich keinen Vergleich. Für mich ist aber gerade auch das Thema Arbeitsteilung und Effizienz in der Bauphase interessant. Ich könnte mir vorstellen, das auch noch einmal aufzugreifen, indem die Schüler reflektieren, wie die Gruppenarbeit gelaufen ist und wie sie zusammen gearbeitet haben. Auf jeden Fall ist die Motivation besser und das Gruppengefüge ein anderes, wenn man sein Produkt extern und vor Experten präsentiert. Das ist ja auch etwas, was die Profiloberstufe ausmacht, und was wir vorantreiben wollen: Die Zusammenarbeit mit der Außenwelt ist sehr erwünscht und sie hat auch ganz konkrete Folgen. Von zwei Schülern weiß ich schon, dass sie gerne ein Praktikum in dem Bereich machen wollen.

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