Technik im Fokus, Praxis im Griff: Profilschüler erforschen die ContiTech Luftfedersysteme

29.11.2009

Geodreieck, Taschenrechner, Fachhefter und sogar das Physikbuch hat Mareike für die Fahrt von Hamburg nach Hannover eingesteckt. Schließlich stehen Mathe, Physik und Informatik auf dem regulären Stundenplan, wenn auch Rahmen, Ort und Agenda an diesem Unterrichtstag alles andere sind als regulär: Mareike und ihre 24 Mitschüler aus dem Profilkurs „Technik im Fokus“ am Gymnasium Rahlstedt fahren zum Unternehmen ContiTech Luftfedersysteme Hannover. Hier erwartet sie Hubertus Gawinski, Leiter der Forschung und Entwicklung. Der Ingenieur hat sich für die Schülergruppe einen ganzen Tag freigenommen, und viele Unterrichtsstunden lang haben die Schüler auf diesen Tag hingearbeitet.

Mit viel Schwung

Schwingungslehre steht seit Schuljahresbeginn auf dem Physiklehrplan, eine Arbeit zur Leistungsüberprüfung wurde bereits geschrieben. Jetzt geht es darum, die Kenntnisse in der Praxis anzuwenden: „Ein Bonbon, das der Theorie Sinnhaftigkeit verleiht“, sagt Jürgen Hamann. Der Physiklehrer hat zuletzt mit den Schülern die Eigenfrequenz von schwingfähigen Systemen berechnet und dabei mit Kennlinien von Federungssystemen gearbeitet.

Technik im Fokus, Praxis im Griff
Technik im Fokus, Praxis im Griff
Technik im Fokus, Praxis im Griff
Technik im Fokus, Praxis im Griff

Wirtschaft und Technik

Parallel dazu befassen sich die Schüler in „Mathe auf erhöhtem Niveau“ mit Integral- und Differenzialrechnungen und in Informatik simulieren sie Schwingungen und Federungssysteme am Rechner. „Die Profilfächer Physik und Informatik, aber auch PGW greifen hier sehr gut ineinander“, sagt Informatiklehrer Gerd Püttjer. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, kurz PGW, ist das dritte Profilfach, das die gesellschaftlichen Bezüge der Technik in den Vordergrund stellt. „Wir haben uns zunächst einmal mit den Grundlagen und Begriffen wie Wirtschaftswachstum und Steuersenkungen befasst“, so Nadine Lingel, die auch Mathematik in dem Profil unterrichtet. Die 28jährige ist gerade frisch von der Universitätsstadt Bayreuth in die Hansestadt gezogen und von außerschulischen Kooperationen mit der Wirtschaft, wie es sie auch in Bayern gibt, überzeugt: „Wenn Beschäftigte aus ihrer Praxis erzählen, macht das die Unternehmen glaubwürdiger.“ Zudem sei eine Exkursion immer eine gute Gelegenheit, die Schüler mal in anderen Umfeldern als dem Klassenraum zu erleben.

Gut versorgt

Belebt wird bei ContiTech ein mit Getränken, Kekstellern und Süßigkeiten im Conti-Design hergerichteter Seminarraum. Hubertus Gawinski stellt sich, das Unternehmen und die Aufgabenstellung für die Gruppenarbeit vor: Mit welcher der zur Verfügung stehenden Luftfedern kann das Fahrerhaus einer Sattelzugmaschine optimal gelagert werden? Das Fahrerhaus lagert auf vier Federn und einer hoher Fahrkomfort ist immer dann gegeben, wenn die Eigenschwingung niedrig ist. Dazu erhalten die Arbeitsgruppen eine Zeichnung, technische Angaben, wie Gewicht des Fahrerhauses und Bauraumhöhe, sowie Kennfeldblätter mit Messergebnissen der Luftfedern.

Werkzeug für Ingenieure

Was jetzt zu tun ist, ist für die Oberstufenschüler keine Frage. Mareike holt ihre Unterlagen hervor, legt das Geodreieck an die Kennlinien, Lars greift zum Taschenrechner, David zur Tabelle, um die technischen Daten der Luftfedern einzutragen. Im ersten Schritt geht es um das Ablesen aus einer Zeichnung, im zweiten ums Abmessen, im dritten ums Ausrechnen. „Was soll ich jetzt rechnen“, fragt David. „Das kann doch wohl nicht sein“, murmelt Lars und Mareike beschwert sich: „Was fragt Ihr eigentlich alle mich“.

Eine schwere Aufgabe toll gemeistert

Keine leichte Aufgabe für die Oberstufenschüler, aber am Ende sind sich alle fünf Arbeitsgruppen nahezu einig, welche Tragkraft und welche Steifigkeit die Luftfeder mitbringen sollte und wählen die Feder aus, die diesen Anforderungen am nächsten kommt. „Die Schwingungsisolierung ist auch immer eine Kompromisslösung“, unterstreicht Ingenieur Gawinski. Nur Mareikes Gruppe ärgert sich über einen Rechenfehler: „Oh nein, wir haben in Kilohertz statt in Hertz gerechnet.“ Kleiner Fehler, große Folgewirkung, aber dagegen steht in der Praxis immer die Überprüfung im Versuch: Im Prüfstand erleben die Schüler, wie unterschiedlich stark die Feder schwingt, wenn man die Frequenz von Null bis zehn Hertz langsam erhöht. „Oberhalb der Eigenresonanz schwingt die Feder am stärksten, hat aber ab sieben Hertz kaum noch Eigenbewegung und bleibt ruhig. Das deckt sich mit unseren Ergebnissen“, erläutert Lars.

Ein Blick hinter die Kulissen

Für den 17jährigen sind die Ergebnisse am Prüfstand und anschließend der Rundgang durch die Produktion von großer Motivationskraft. „Manchmal fragt man sich ja schon, wozu brauche ich diese ganze Rechnerei und so viel Theorie. Hier haben wir gesehen, was für Entwicklungsaufwand hinter einer Luftfeder steckt und wo uns die überall im Alltag begegnet. Das finde ich spannend.“ Unterrichtsinhalte, die nicht der Phantasie eines Lehrers oder des Lehrplans entspringen, sondern den direkten Anforderungen aus der Praxis entsprechen, geben den Profilschülern an diesem Tag Auftrieb.

Positive Schwingungen

Am Ende bekommt Hubertus Gawinski für die Vorbereitung und Durchführung des Praxistages viel Lob und auch die helfenden Hände im Hintergrund haben einen guten Eindruck hinterlassen: „Dass wir hier Getränke und ein komplettes Mittagessen umsonst bekommen, das hätte ich nicht erwartet“, so der 16jährige David. „Ich denke, dass ContiTech positiv in unseren Köpfen hängenbleibt.“ Schwingungslehre im praktischen Einsatz hinterlässt positive Schwingungen, so lautet ein Fazit dieses Tages.

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