So weit und so schnell wie möglich: Schüler entwickeln eigene Antriebe am HZG
19.12.2014Es ist Schule, aber es fühlt sich an wie Wissenschaft und es sieht auch so aus: In einem Forschungslabor schneidet Niklas Filterpapier in Stücke und legt es in Lösungen aus Zinksulfat, Kupfersulfat sowie Schwefelsäure mit Salz. Gerwin hat Metallplatten aus Kupfer und Zink zurecht geschnitten und nimmt Maß. „Dazwischen kommt eine Schicht aus Kupferchlorid, dann Schwefelsäure mit Salz und schließlich Kupfersulfat, dann wandern die Elektronen“, erklärt der 16-Jährige. Das Tolle daran ist: Es funktioniert. Aber leider nur wenige Sekunden. „Jetzt wollen wir mehrere Schichten koppeln, damit die Batterie länger läuft“, erklärt Gerwin.
Batterie versus Wasserstoff
Gerwin, Niklas, Stefan und Davide bilden eines von sechs Schülerteams des Charlotte-Paulsen-Gymnasiums, die am Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) eigene Antriebe entwickeln und bauen. Normalerweise erforschen am Geesthachter Standort Wissenschaftler Materialien und Tanks zur sicheren und kompakten Wasserstoffspeicherung. Da ist es nur konsequent, wenn sich die Hälfte der Schülerteams mit Wasserstoffantrieben beschäftigt und am Ende alle Teams in einem Modellautorennen gegeneinander antreten. „Es geht darum, so weit und so schnell wie möglich zu kommen“, sagt Philipp. Zusammen mit Fynn hat der 17-Jährige sich für die Wasserstofftechnologie entschieden und versucht gerade, einen Tank zu montieren. Eine Herausforderung: Die kleinen ferngesteuerten Modellautos, die ihnen das HZG zur Verfügung gestellt hat, sind nur wenig größer als der Tank.
Weiter Weg, fesselnde Forschung
„Das hier ist auf jeden Fall besser, als in der Schule zu sitzen“, findet Philipp. Abwechslungsreicher, die Ausrüstung sei professioneller und man bekomme einen Einblick in echte Forschung: „An sich finde ich die Idee wirklich cool.“ Die kleine Einschränkung „an sich“ ist der langen Anfahrt geschuldet. Nach ihrem Schultag fahren die Chemie-Profilschüler bis zum S-Bahnhof Nettelnburg, wo sie der hauseigene HZG-Bus abholt – und knapp zwei Stunden später wieder zurückbringt. „Für den langen Weg, den wir hier rausfahren, haben wir vor Ort zu wenig Zeit“, meint Stefan. Schließlich gibt es viel zu tun: „Es ist immer eine Gruppe dabei, die wir zum Aufbruch drängen müssen“, ergänzt Regina Just vom HZG.
Das erste Mal
Für die Chemielaborantin ist es das erste Mal, dass sie mit Schülern zusammenarbeitet. „Das macht Spaß!“ Wobei der Impuls immer von den Schülern ausgeht: Wenn sie Metall schneiden wollen, Material brauchen oder Fragen haben, wenden sich die Elftklässler an die Laboranten. Eine genaue Anleitung, was und wie sie ihre Antriebe bauen sollen, gibt es aber nicht. Das gehört zum Konzept, das Professor Thomas Klassen entwickelt hat. Der Leiter der Werkstofftechnologie am HZG und Professor an der Fakultät für Maschinenbau an der HSU hat die Schüler bei ihrem ersten Termin in die Labore und seine Forschung eingeführt: „Dann haben sie ihre Aufgabenstellung und das Material bekommen. Seitdem basteln sie jeden Donnerstagnachmittag.“ Ganz selbstständig wie echte Wissenschaftler: „Ich finde es langweilig, einfach nur ein vorgefertigtes Experiment nachzumachen“, so Klassen.
Kupferzinkbatterie macht das Rennen
Es ist ein offenes Konzept, das Misserfolge und Frustrationen nicht ausschließt: „Am Anfang sind wir nicht vorangekommen und haben uns verloren gefühlt“, sagt Kion, der zusammen mit Georgius und Lasse ein Batterieteam gebildet hat. Umso größer war dann die Euphorie, als sich zum ersten Mal mit einer selbstgebauten Kupferzinkbatterie die Räder drehten. Zunächst nur wenige Sekunden, beim Abschlussfinale einige Minuten: Auf ganze 19 Runden bringt es Kions Team und macht damit das Rennen. Aber auch wenn sich die Wasserstoffteams schon bei den Probeläufen verausgabt haben, das große Ziel konnte niemand aus den Augen verlieren. Das Vorbild ist der Wasserstoff-Flitzer, den Studenten der Uni Chemnitz zusammen mit dem HZG gebaut haben. Er bringt es mit einem Liter Sprit auf rund 2.500 Kilometer und um ihn drehten sich auch die Modellautos der Schüler: Es ist ein weiter Weg von der Schule in die Forschung, doch der Anfang ist gemacht.