Schülerinnen setzen schönes Signal

23.02.2017

Noch 25 Minuten!“, verkündet der Moderator, und durch 170 Mädchen geht ein Ruck. Aufgeregte Stimmen werden laut: „Warum funktioniert das nicht, eben ging es noch?“ An einer langen Tischreihe, die sich durch eine verglaste Halle windet, stehen Neunt- und Zehntklässlerinnen aus 13 Hamburger Schulen und tüfteln. Einige von ihnen wuseln zur Auslage, durchstöbern Spielzeugautos, Schreibmaschinen, Kugeln aller Größen. Andere beugen sich konzentriert über ihre Konstruktionen. Alle arbeiten zusammen. Ihr Ziel: eine Kettenreaktion XXL.

Es ist der Auftakt zu „mint:pink“, einem Projekt, das es Mädchen vor der Oberstufe ermöglicht, die Welt der angewandten Naturwissenschaften kennenzulernen. Am 21. Februar haben sie sich in der tesa-Konzernzentrale in Norderstedt eingefunden. In den kommenden Monaten besuchen sie Hochschulen, Unternehmen, Institute, erhalten Einblick in wissenschaftliche Berufe. Schon das vierte Jahr läuft das Programm der Initiative Naturwissenschaft & Technik (NAT), und seine Schirmherrin, die Senatorin für Wissenschaft und Forschung, Katharina Fegebank, ist begeistert: „Das ist doch der Hammer! In technischen Berufen sind Mädchen noch in der Minderheit, aber das hier ist ein schönes Signal.“

Mit dabei ist die 15-jährige Rachel Rose. „Technische Berufe gelten immer noch als Männersache“, sagt die Schülerin des Lise-Meitner-Gymnasiums aus Osdorf, das in der Kettenreaktion für die vorletzte Station zuständig ist. „Ich glaube, viele Mädchen haben Angst, abgestempelt zu werden, wenn sie sich für naturwissenschaftliche Fächer interessieren.“ Dabei sei das völliger Quatsch, das sehe man hier. „Bei uns in der Klasse gibt es mehr Mädchen als Jungs, die Spaß an den Mint-Fächern haben“, erzählt Rachel, die Chemie studieren will. „Wir sind fertig“, sagt Rachel. „Wir haben es mehrmals ausprobiert, und es hat immer geklappt.“ Hier wie an allen anderen Tischen ist pinkfarbenes Klebeband das wichtigste Material, um die Konstruktion zusammenzuhalten.

„Die Zeit ist um!“, verkündet der Moderator. Es wird still. Die Zuschauer sind gespannt, Handykameras im Anschlag, die Mädchen stehen innen. „Drei, zwei, eins“, zählt der Moderator. Es knallt, rumort, die ersten Tische sind vor Menschen kaum zu sehen, Hälse recken sich. An den letzten beiden Tischen nervöse Gesichter. Wieder knallt es, die Kettenreaktion kommt voran, kommt näher. Ist da. Billardkugeln rollen, stoßen an, das Blaulicht versagt, die Dominosteine kippen trotzdem, ein Hebel setzt sich in Bewegung und aus einer Röhre schießt buntes Konfetti. Geschafft! Jubel und Applaus branden auf.

Ob sich der Stress gelohnt hat? „Na klar“, sagt Nefel Aksoy vom Matthias-Claudius-Gymnasium. Sie hat sich drei Streifen das pinkfarbenen Klebebands als Siegerschmuck auf die Hose geklebt. „Jetzt geht es für uns erst richtig los.“

Rechts finden Sie den Originalartikel von Maurus Jacobs, Die Welt vom 23. Februar 2017.

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