Schönheiten auf dem Radar
06.02.2014Wer die Radartechnik einordnen will, muss sich für einen Maßstab entscheiden. Sei es die Erfolgsgeschichte, die vor 110 Jahren in Bremen ihren Anfang nahm, als Christian Hülsmeyer das erste Patent zur „Funkmesstechnik“ anmeldete. Sei es Innovationskraft, aktueller Forschungsstand oder Einfluss auf die Verkehrstechnik. Hermann Rohling, Professor der Technischen Universität Hamburg-Harburg, wählt an diesem Dienstagnachmittag einen anderen Maßstab: Es ist die Spannung, die in der Luft liegt, als er das Radarlabor seiner Hochschule betritt. „Ein großer Tag“, konstatiert er, „man merkt es gleich, wenn man hereinkommt, es brizzelt und brazzelt ein wenig.“
Gemütliche Technik
Für den Nachrichtentechniker ist das durchaus ein positives Signal: Das sind zum einen angehende Abiturienten vom Friedrich-Ebert-Gymnasium, die sich mit der Materie befasst haben, ein passendes Sendesignal erzeugt, gemessen und ausgewertet haben. Das sind zum anderen die Gäste, Physiklehrer, Hochschulmitarbeiter und die NAT, die wissen wollen, was dabei herausgekommen ist. „Entfernungen, Geschwindigkeiten und Winkel gleichzeitig messen, sogar wenn verschiedene Ziele im Beobachtungsbereich sind, das sind die Schönheiten der Radartechnologie“, nennt der Professor die Vorteile. Auch wenn die drei Schülerarbeitsgruppen einfachheitshalber mit Ultraschallsensoren gearbeitet haben: „Das ist dasselbe Messprinzip, nur die gemütlichere Technik.“
Praxis schlägt Theorie
Wobei es für die acht S4-Schüler an der einen oder anderen Stelle durchaus ungemütlich wurde. „Was in der Theorie recht einfach klingt, hat in der Praxis leider nicht sofort funktioniert“, sagt Jonas, der sich mit seinem Teamkollegen Jennik die Entfernungsmessung vorgenommen hat: Ein Impuls wird auf ein Objekt gesendet und wieder empfangen. Die Zeit zwischen Sendesignal und Empfangssignal wird gemessen und halbiert, um unter Berücksichtigung der Schallgeschwindigkeit die Entfernung zum Objekt zu bestimmen. Zur Verifizierung ihrer Ergebnisse haben die Schüler mit dem Zollstock nachgemessen. Im Prinzip kein Problem, wäre da nicht ein Kurzschluss gewesen, eine falsche Frequenz im Oszilloskop und ein Empfangsimpuls, der nicht eindeutig zu bestimmen war.
Im Messrausch
Dennoch präsentieren Jonas und Jannik am Ende eine Messreihe, die fast nur in Millimetern von den Ergebnissen per Zollstock abweicht: „Das ist das Messrauschen, es gibt immer kleine Abweichungen, das ist ganz normal“, erklärt Rohling und lobt die beiden Schüler. Die wiederum würdigen den Praxisbezug: „Das praktische Arbeiten war neu, intensiv und hat erstaunlich viel Spaß gemacht“, sagt Jannik. Zur Grundphilosophie eines jeden Ingenieurs gehöre, betont Rohling, dass er sowohl analytisch als auch experimentell arbeite. Und diese Erfahrung machen die drei Tage an der TUHH aus, wie auch die anderen Gruppen betonen.
Die Physik mit Leben gefüllt
Selbst wenn die Winkelmesser Arne, Florent und Katja ihr Lernergebnis nicht positiv formulieren: „Messungenauigkeiten und kaputte Platinen machen keinen Spaß“, steht in ihrer Präsentation. Aber lebendig und lächelnd präsentieren die drei, wie sie trotz Zeitdruck Alternativen gefunden haben und wozu die Winkelmessung nützlich ist: „Zur genauen Positionsbestimmung in der Schifffahrt beispielsweise“, sagt Florent. Mal mit den Händen zu arbeiten, statt immer nur irgendwelche Formeln zu bearbeiten, mache Spaß, fasst Katja zusammen: „Es war sehr schön für mich, die Physik mit Leben zu füllen.“
Forschungslücke Radar
Mit handwerklichen „Nickeligkeiten“, so Rohling, winzigen Frequenzverschiebungen und komplexen Formeln hatten auch die Geschwindigkeitsmesser zu tun: Paul, Andres und Leonhard sind dennoch selbstbewusst genug, um ihre Präsentation „Meisterwerk“ zu nennen. In der Tat ist der Meister begeistert: „Geschwindigkeitsmessung schafft kein anderer Sensor sonst, das ist eine Sensation.“ Und wählt zum Abschluss einen anderen Maßstab: „Radar ist eine ökonomisch wichtige Technik in unserer Gesellschaft, aber sie fehlt an den deutschen Universitäten.“ Und nun ist auch noch der Radarexperte Rohling in den Ruhestand gegangen. „Herr Bußmann, das war immer eine Freude mit Ihnen und Ihren Schülern“, verabschiedet er sich von dem Physiklehrer. Der will aber auch im nächsten Jahr wiederkommen. Mit neuen Schülern, Themen und Erwartungen.