InterNATionale Delegationen auf den Spuren von mint:pink
04.12.2017Schon in der fünften Klasse hat es die Mathematik schwer, zumindest in der Selbstwahrnehmung: Ab da schätzen Mädchen ihre mathematischen Fähigkeiten schlechter ein als Jungen – und unterschätzen sich damit. Das hat gerade eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung herausgefunden. Umgekehrt halten sich schon Fünftklässlerinnen für sprachbegabter. Ein geschlechtsspezifischer Wahrnehmungsunterschied, der bleibt, auch wenn später Physik, Chemie oder gar Informatik hinzukommen. Katharina Müller, die ihr Abitur vor neun Jahren in Eisenach abgelegt hat, kennt das durchaus, trotz einer naturwissenschaftlichen-technischen Ausrichtung in der Oberstufe: „Wenn ich direkt nach der Schule angefangen hätte zu studieren, hätte ich Geschichte oder Germanistik gewählt“, sagt sie.
Über Umwege in ein MINT-Studium
Stattdessen hat sich die Orientierungssuchende Zeit gelassen, die eigene Motivation kritisch hinterfragt, Praktika absolviert und ist ins Ausland gegangen – und erst zwei Jahre später in ihr Studium „Cognitive Science“ in Osnabrück gestartet. „Das ist eine breite Mischung aus Neurowissenschaften, künstlicher Intelligenz und Informatik, aber auch Philosophie.“ Und damit eine Kombination aus MINT und Geisteswissenschaften, die ihr eine Hintertür offenließ: „Ich war mir nicht sicher, ob ich Mathe und das Programmieren tatsächlich packe.“ Ein Denkmuster, das ihre männlichen Kommilitonen so nicht hatten und dem Müller heute genauer nachgehen möchte: Nach ihrem Master in Neurowissenschaften in Amsterdam arbeitet die 27-Jährige inzwischen bei der niederländischen Stiftung VHTO, die sich für mehr weiblichen MINT-Nachwuchs stark macht.
Praktisch, weiblich – vorbildlich!
Für eine Inspirationsreise nach Deutschland und Dänemark suchte Katharina Müller nach guten Praxisbeispielen – und fand mint:pink: „Die Stichworte Mädchen, MINT, Hamburg genügten.“ Im Netz schnell auffindbar und in der Umsetzung überzeugend, so urteilten auch die Multiplikatoren aus Hochschulen, Unternehmen und Politik der Regionen Overijssel und Gelderland, für die VHTO die Inspirationsreise organisiert hatte. „Es hat uns gefallen, dass mint:pink sehr konkret und sehr gut geplant ist“, sagt Müller, die auch die Feedbackbögen der Mitreisenden ausgewertet hat. Der Name mint:pink sei da häufiger gefallen, weil es nicht einfach nur ein Forschungsprojekt und eine Studie mehr sei. „Da passiert tatsächlich etwas, und zwar über ein Jahr verteilt und vor markanten Bildungsentscheidungen der Mädchen.“ NAT-Mitarbeiterin Antje Gittel hatte den niederländischen Besuchern die mint:pink Inhalte und Bausteine in einer Präsentation veranschaulicht und Fragen beantwortet.
Weltweit gefragt
Gerade Fragen der Finanzierung brannten den Teilnehmern unter den Nägeln: „Wir sind ein wenig neidisch darüber, wie sich die Stadt und auch die Betriebe bei mint:pink engagieren“, sagt Müller. Die niederländischen Regierungen verträten immer häufiger die Philosophie, dass es der Markt schon allein richten würde. Aber der Markt richtet es nicht: Technik habe im Nachbarland einen geringeren Stellenwert als in Deutschland, die Zahl an Informatikerinnen sei beispielsweise niedriger. Und ohne ermutigende Vorbilder und motivierende Lehrer oder Eltern geht es nicht. Das zeigt mint:pink zum Abschluss des vierten Jahrgangs in einem Speed-Dating mit Role Models, das machte auch eine indonesische Delegation deutlich, die sich vor den Niederländern von mint:pink inspirieren ließ. Das Projekt ist damit auf dem Weg zu einem interNATionalen Vorbild.