Schülerkurs 2 misst kosmische Strahlung
08.03.2016Es prasselt unablässig im DESY Schülerlabor – unsichtbar und lautlos. Während sich draußen die Sonne mühsam einen Weg durch den Nebel bahnt, im Erdgeschoss Grundschüler jubelnd Schokoküsse im Vakuumlabor aufblähen, sitzen im ersten Stock Zehntklässler konzentriert am Rechner, geben Funktionen in eine Excel-Tabelle ein und werten Daten aus. Dass Teilchenschauer, überwiegend in Form von Myonen, auf sie niederprasseln, wissen die fünfzehn Schüler längst. Schließlich sind sie Teilnehmer im Schülerkurs Teilchenphysik und es ist der dritte und letzte Tag der Kooperation zwischen DESY und vier Hamburger Schulen. „Wie bekommen Einblicke in den aktuellen Stand der Forschung und eine Ahnung, woraus unsere Welt besteht“, erklärt Anton. „Das ist spannend und mysteriös zugleich.“ Der 16-Jährige sitzt vor einem Bildschirm mit langen Zahlenreihen, neben ihm tippt Matteo auf der Tastatur und Oliver beobachtet den blinkenden Zählerstand auf einem Gerät zur Datenerfassung (DAQ).
Wie der Kosmos so spielt
Über tausend Eintritte von Myonen hat der Detektor bereits gezählt, und sekündlich, wenn auch unregelmäßig, werden es mehr. Wie halt der Kosmos so spielt: Der Detektor aus Szintillator-Platten, welche die kinetische Energie der Astroteilchen in Lichtblitze verwandeln, ist verbunden mit einem Photomultiplier. Der Photomultiplier wiederum kann selbst schwache Lichtsignale in messbare elektrische Impulse umwandeln. Indem die Schüler mehrere Messreihen durchführen und dabei die Abstände zwischen beiden Platten verändern, können sie die Geschwindigkeit der Myonen ermitteln. So oder ähnlich wird es Anton in den kommenden Tagen seinen Schulkameraden berichten: Die Gyula Trebitsch Schule hat ausgerechnet an diesem Tag unterrichtsfrei, aber Anton ist dennoch von Tonndorf nach Bahrenfeld gekommen: „Es ist doch blöd, wenn keiner da hingeht und wir alle nicht wissen, was hier genau läuft.“
Schulübergreifendes Team
Anton wird aber nicht nur seine Zusammenarbeit mit Sophie-Barat-Schülern vorstellen, sondern auch einen weiteren Versuch, der den Einfallswinkel der Myonen auf die Erdoberfläche untersucht. Thorben und Malou vom Friedrich Ebert Gymnasium haben sich dafür entschieden und ändern nun den Winkel des Szintillators im Fünf-Minuten-Takt: „Wir sind gerade bei 60 Grad und 250 Durchtritten in fünf Minuten“, erklärt Thorben. „Aber bei Null Grad, als die Platten genau übereinander lagen, waren es schon 670.“ Dass sie hier selbst Hand anlegen und echte Versuchsreihen durchführen können, finden die 15-Jährigen toll. „Aber man braucht viel Geduld und etwas bessere Excel-Kenntnisse“, meint Malou. Lilly sieht das ähnlich. Dass man die Teilchen nur mit Hilfe von Software sichtbar machen kann, macht der Carl-von-Ossietzky-Gymnasiastin zu schaffen: „Ich mag es zwar, mit Zahlen zu arbeiten, aber es muss greifbar sein und ich muss wissen, wozu das nützlich ist.“
Schneller als Licht?
Vielleicht schafft es die 16-Jährige ja noch, sich mit Kristina Strahlendorff auszutauschen, die gerade ihre Masterarbeit über die medizinische Anwendung von Lasern geschrieben hat. Drei Tage vor Abgabe kümmert sie sich nun um die Zehntklässler: „Ist doch eine gute Ablenkung", meint die DESY-Werkstudentin und ist erneut gefragt: Tim und Andreas sind fertig – allerdings mit einem Ergebnis, das Einstein widerlegen würde: Die Myonen bewegen sich nach ihren Berechnungen mit Überlichtgeschwindigkeit. „Die Platten waren nicht ganz synchron ausgerichtet“, sucht Tim nach einer Erklärung: „Ja, das sind Messfehler, das ist ganz normal, aber eurer Verlauf stimmt, die Größenordnung passt, das ist wunderbar“, lobt Strahlendorff. Für ihren Mastertitel musste sie es ebenso halten: „Die Ergebnisse interpretieren und diskutieren, was man noch hätte besser machen können.“ Was deutlich macht: Die Teams vom Schülerkurs 2* sind absolut reif – reif für die Masterclass!
*Der Schülerkurs 1 umfasst fünf Hamburger Schulen und ist nach einer Lehrerfortbildung am Cern entstanden. Der zweite Hamburger Schülerkurs Teilchenphysik bildete sich auf einer Lehrertagung der Initiative NAT. Beteiligte Schulen: Carl-von-Ossietzky-Gymnasium, Friedrich-Ebert-Gymnasium, Gyula-Trebitsch-Gymnasium und die Sophie-Barat-Schule.