Es wächst und gedeiht – mint:pink im Chemielabor der Universität Hamburg

30.10.2014

Melissa will sich nicht trennen. Vom weißen langen Kittel und der großen Schutzbrille schon, aber nicht von ihrem ersten eigenen MOF. „Zu schade, dass wir das nicht zu Ende machen können, das wäre so cool“, sagt sie zu ihrer Freundin Mareike. Die hat gerade einen „Linker“ gebaut, so nennen Chemiker organische Moleküle, die zusammen mit metallischen Verbindungen dreidimensionale Netzwerke bilden – „Metal-Organic Frameworks“, kurz MOFs genannt. Für die anorganische Baueinheit ist Melissa zuständig. Fasziniert schaut die Zehntklässlerin auf einen Magnetrührer, der eine petrolfarbige Lösung aus Kupferacetat und Ethanol in Wallungen bringt: „Voll die geile Farbe!“ Als die Schülerinnen ihre beiden Lösungen zusammengießen, wechselt die Farbe zu knallig Türkis und der Stoff kristallisiert aus: ein MOF ist entstanden.

Lehrplan plus

Um den ausgefallenen Feststoff allerdings als Energiespeicher nutzen zu können und beispielsweise Wasserstoff in sein Gerüst einzulagern, müsste er zunächst gefiltert und dann getrocknet werden. Nur so könnten die Reste von Lösungsmitteln aus allen Poren entfernt werden. „Aber das würde zu lange dauern, die Partikel sind einfach zu fein“, erklärt Laborantin Sandra König. Zusammen mit ihrer Kollegin Uta Sazama und Doktorand Christopher Stapelfeldt hat sie den Labortag für die Mädchen vom Matthias-Claudius-Gymnasium (MCG) geplant und begleitet. „Wir wollten einen Bezug zum Lehrplan herstellen, aber auch darüber hinausgehen, mit Forschungsaufgaben, die man nur an der Uni machen kann. Wir haben dafür Mittel vom Frauenförderfonds der Universität Hamburg bekommen“, erklärt Stapelfeldt.

Der Zauber der Kristalle

Im Arbeitskreis Materialwissenschaft, für den der Doktorand im Institut für Anorganische und Angewandte Chemie forscht, spielen die MOFs eine große Rolle. „Gerade erst gestern Abend hat einer unser Masteranden mal wieder einen neuen MOF hergestellt“, sagt König. Aber natürlich will die Universität auch für die Chemie insgesamt begeistern. Daher steht der mint:pink-Labortag auch unter dem Motto „Kristalle“, so Stapelfeldt, „wir haben Versuche herausgesucht, die einfach durchzuführen sind, mit relativ ungiftigen Chemikalien, aber einem schönen visuellen Ergebnis.“ Wenn es gut laufe, werde das Modul auch im kommenden Jahr weiter geführt.

Forscher fragen

Und wie gut es läuft: die Mädchen stellen eine Art Wärmekissen, einen Latentwärmespeicher her, sie bringen Kupferchlorid mit Alufolie in Kontakt und beobachten den „Kupferbaum“, der dabei bizarr und wunderschön kupferrot schimmernd wächst. Sie entdecken die Grundform der Kristalle im leuchtend blauen Kupfersulfat, werden in die Grundlagen der Elektrochemie eingeführt und nutzen die Gelegenheit zum Austausch: Was genau Viskosität sei und worin der Unterschied zu einer nicht-newtonschen Flüssigkeit bestehe, will Mareike wissen. Die 15-Jährige hat einen Film gesehen, in dem sich Wasser wie ein Feststoff verhält, wenn man Maisstärke dazugibt. Aber wie funktioniere das genau: „Stell dir die Moleküle in der Stärke als lange Ketten vor, wenn du mit der richtigen Druckstärke darauf drückst, verheddern sie sich und werden kurz fester. Ansonsten reißen sie“, so Stapelfeldt. 

Hier stimmt die Chemie

Damit kann Mareike etwas anfangen – und findet den Wechsel aus Vortrag, Austausch und eigenem Tun insgesamt gelungen: „Das hat voll Spaß gemacht.“ Auch Diana ist begeistert: „Ich mag Chemie und es entstehen echt coole Farben dabei.“ Auch wenn der MOF türkis bleibt und nicht zu blau wechselt, solange er nicht getrocknet wird. „Ich glaube, man kann sich auch so vorstellen, wie das Experiment abläuft“, tröstet Sandra König. Klar, nickt Melissa, aber Selbermachen ist halt noch besser. Vielleicht kann die Schülerin ja noch einmal wiederkommen. „Die Chemie der Universität ist bei uns auch in der Oberstufe Kooperationspartner“, sagt Physiklehrer Andreas Spangenberg. Das Fach sei am MCG nicht nur im Physikprofil, sondern auch im Biologieprofil fünfstündig vertreten. „Unsere Schule ist relativ stark in Chemie.“

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