Energieforschung und Praxis hautnah: acht Experten und zig Lehrerfragen

03.05.2013

Hundert Lehrer, verteilt auf acht Experten in einem Saal und alles zum Thema Energie – da kann es im Feuereifer schon einmal hoch hergehen. Bevor Daniel Lorenz, Referent der Vattenfall Europe Windkraft GmbH, überhaupt etwas sagt, weist er auf den Notausgang zu seiner Rechten: „First things first“, betont der Diplomingenieur und macht deutlich, wie wichtig Sicherheit für Leute ist, die so weit „offshore“ auf See arbeiten, dass man sie nicht einmal mehr von der Insel Sylt aus sehen kann. Wie seile ich mich von der Windturbine ab, wie komme ich bei Wind und Wetter auf eine Rettungsinsel, wie unter Wasser heraus aus einem Copter, seien beispielsweise Fragestellungen, denen sich Windparkmitarbeiter in sechs Tagen Crashkurs Sicherheitstechnik stellen müssten. 

Speed-Dating mit Experten

Es sind Einblicke in die raue Wirklichkeit von Megaprojekten wie dem Offshore-Windpark DanTysk, 70 Kilometer westlich von Sylt, die für diesen Spätnachmittag prägend sind. In Speed-Dating-Manier wählen die Teilnehmer der NAT-Jahrestagung die Themen, die sich für ihren Unterricht oder persönliche Interessen am besten eignen. Sie hören den Vertretern aus Hochschulen oder Unternehmen zu, stellen Fragen, diskutieren kurz und knapp. Nach einer Viertelstunde hält NAT-Mitarbeiterin Andrea Mohr mahnend eine Hand hoch: noch fünf Minuten Redezeit. Dann ziehen die Lehrer weiter zum nächsten Experten. Es gibt insgesamt drei Runden.

Energieforschung und Praxis hautnah
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Vom Einblick zum Durchblick

Auch für die Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft ist es eine ungewohnte Art der Präsentation. Normalerweise stehen sie vorne am Rednerpult mit einer Fernbedienung in der Hand und Folien an der Wand. Jetzt sind sie mittendrin in einem Fragekreis wissbegieriger Lehrer. Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) an der TUHH hat sich über die Runden geholfen, indem er jeweils sechs Folien auf einen DIN A4-Bogen verkleinert, kopiert und verteilt hat. Das diene auch der Versachlichung, ist Kaltschmitt überzeugt. „Das Thema Biokraftstoffe ist nicht so schwarz-weiß, wie es meine Freunde von Greenpeace darstellen.“ Andererseits verhehlt der Professor nicht, dass Biokraftstoffe weder zwingend zum Klimaschutz beitragen, noch unerwünschte Umwelteffekte ausgeschlossen werden können. 

NAT-Lehrer: Wegbereiter der Energiewende

Auch Detlef Schulz möchte als geschulter Hochschullehrer (HSU) nicht ganz auf eine Visualisierung verzichten. Vier grafische Darstellungen zur Netzintegration erneuerbarer Energien und zukünftigen Energieversorgung dienen dem Professor als Basis für einen Kompaktvortrag. Warum die gemeinsamen Grundlagen so wichtig sind: „Die Gesellschaft muss die neue Technik akzeptieren und darauf vorbereitet werden – durch Sie beispielsweise“, verdeutlicht Schulz die Multiplikatorenrolle der Lehrer – und schließt gleich noch eine Bitte an. Beim Aufbau eines Transformators sollten die Spulen übereinander gesteckt werden: „Dann schließen sich die Feldlinien besser. Wenn ich meinen Physiklehrer treffe, erzähle ich dem das auch.“

Energieforschung und Praxis hautnah
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Kraftwerk Schule

Der Physik- oder Chemieunterricht kann nämlich sehr wohl wegweisend sein und manche Lehrerfrage ist es auch: „Wie könnte ich die thermochemische Speicherung bei mir zu Hause anwenden?“, will Gabriele Roosen, Sophie-Barat-Schule, von Diplom-Chemiker Michael Steiger (UHH) wissen. „Sie bräuchten einen 28 Kubikmeter großen Wasserspeicher“, sagt der Grundlagenforscher, der neue maßgeschneiderte poröse Trägermaterialien für übermorgen entwickelt und optimiert. Da könnte Mathias Burghardt, Physiklehrer der Gyula Trebitsch Schule Tonndorf, fast schneller an einer Umsetzung sein. Er schlägt vor, die Schulen mit Solaranlagen zu Selbstversorgern zu machen, und Umwelttechniker Hans Schäfers (HAW Hamburg) schlägt ein: „Die Photovoltaik wird nicht untergehen.“

Im Netz der Zukunftsvisionen

Das deckt sich mit der Einschätzung von Markus Echt, Geschäftsbereichsleiter der E.ON Hanse AG. Als Ulrike Vogt, Physiklehrerin am Gymnasium Süderelbe, fragt, wie das Netz im Jahre 2050 aussehen wird, betont der Experte die Bedeutung der verbrauchsnahen Erzeugung: „Das traditionelle Netz, das wir jetzt vor Augen haben, wird es in 50 Jahren nicht mehr geben.“ Weil die Großerzeugungsanlagen nach und nach durch autarke verbrauchsnahe Systeme ersetzt werden. Dann reist die nächste Generation von NAT-Lehrern auf Glasstraßen, in denen schon Leitersysteme und Solarkollektoren enthalten sind, ins Körber-Forum. Vielleicht im Wasserstoffmobil – wie spannend!

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