Einfach mal den Stecker ziehen
24.04.2012Energiegewinnendes Haus und Ampelanlage der Zukunft: Abiturienten des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums (AvH) präsentieren ihre Beiträge für den Brennstoffzellenwettbewerb Zero Emission
Große Show
Ein rockiger Sound ertönt in der Physik des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, dann Oles Stimme aus dem Off: „Energiegewinnendes Haus, ein Projekt für Zero Emission“. Das ist parallel auf dem grau unterlegten Bildschirm zu lesen, ebenso wie die Namen der drei Schülerinnen und fünf Schüler, die in den letzten Wochen intensiv an dem Seminarfachprojekt zusammengearbeitet haben. Sprecher Ole stellt das Team vor, dann geht er zum ersten Programmpunkt über: „Szenario 2020“. Der Bildschirm wird schwarz, der Ole aus dem Film schweigt, der echte Ole aus der Physik stöhnt auf: „Oh, Frau Grimm, was bringen Sie uns denn für Rechner mit.“
Abiturienten auf Zack
Christa Grimm ist die Chemielehrerin aus dem Profil „Naturwissenschaften und Technik für die Zukunft“, das gleichermaßen aus den Fächern Physik und Chemie besteht und zusätzlich noch zwei Stunden PGW (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft) enthält. Für die Abiturienten ist es eine der letzten naturwissenschaftlichen Unterrichtsstunden überhaupt. Aber bevor sich die Schüler ganz auf das Finale, die mündlichen Prüfungen, konzentrieren, haben sie sich bei der Seminararbeit noch einmal richtig ins Zeug gelegt.
Grüne Stadt
Entwerfe ein Projekt unter Einbeziehung der Brennstoffzelle, lautete die schlichte Aufgabenstellung. Sie stammt aus dem Schülerwettbewerb „Zero Emission“ von E.ON Hanse, an dem sich die Abiturienten mit ihrer Seminararbeit beteiligen sollten. In dem Modell, das Ole, Vincent und Caren stellvertretend für ihr Team präsentieren, steckt aber sehr viel mehr Technologie drin. Die Solarzelle auf dem Dach beispielsweise, Wind- und Wasserrad vor der Haustür und eine Geothermieanlage im Garten. Sogar die Hauswände tragen in Form von Paraffinkügelchen zur Energiegewinnung bei, wie Vincent erklärt: „Am Tag erwärmt sich der Stoff in den Gipsplatten und gibt die Wärme abends wieder ab.“
Unterricht praxisbezogen
Ein Prinzip, das die Schüler in einem Hochschulmodul zum Thema Energiespeicherung an der Universität Hamburg kennengelernt haben. „Und das auch als Anwendung im schriftlichen Abitur vorkam“, betont Vincent. Chemie und Physik greifen nicht nur in dem Profil ineinander, sondern auch in der Projektidee der Schüler: Sie haben ein Haus entworfen, das seinen gesamten Strombedarf selbst erzeugt plus genügend Energie, um ein Elektroauto fortzubewegen. „Unser ganzes Profil dreht sich um die regenerativen Energien und die Frage der Energieversorgung von morgen. Da lag es nahe, all das in die Seminararbeit mit einzubeziehen“, erklärt Caren die Grundidee.
An alles gedacht
Aber auch in einem energiegewinnenden Haus muss der Akku im Laptop vor der Präsentation aufgeladen werden. Im Modell gibt es dafür eine Station mit Akkumulatoren im Erdgeschoss - neben einem Wasserstofftank im Garten die zweite Energiereserve. Im richtigen Leben hilft da schon der Rechner aus der Physik weiter: Oles Film läuft wieder und erklärt in ausführlichen Modellrechnungen, welche Energiewerte durch die einzelnen Elemente erzeugt werden können, und dass bei idealen Bedingungen noch genug Energie für mehr als 16.000 Elektroauto-Kilometer zur Verfügung stehen.
Erhöhung der Leistung
Selbst einen zweiten Film schafft der Laptop-Akku an diesem Vormittag locker. Und auch das Verdunklungssystem im Physikraum kommt noch zum Zuge: Kevin präsentiert das Modell einer Straßenkreuzung mit brennstoffbetriebener Ampelanlage und LED-Beleuchtung. „In diesem Haus haben wir ein Stack von zehn Brennstoffzellen eingebaut“, erklärt der Abiturient und hebt das Dach eines schwarz getünchten Hauses aus Sperrholzplatten kurzerhand hoch. Darunter befindet sich ein Bündel aus Brennstoffzellen, die in Reihe geschaltet sind. Das erhöht die Leistung und heißt in der Fachsprache Stack. Das Geld hierfür hatte das AvH als ausgezeichnete Wasserstoff-Schule erst im September letzten Jahres auf Initiative der NaT hin erhalten.
Hochfrequent
Den mit Wasserstoff und Sauerstoff aus der Luft erzeugten Strom nutzt das „Ampel-Team“, das ebenfalls aus drei Mädchen und fünf Jungen besteht, für die parallele Schaltung der Lichtanlage. Dass die Ampel grün wird, wenn die Querstraße rot hat, klappt wunderbar, wenn auch die Taktung sehr kurz ist: „Der Schwingkreis, den wir eingebaut haben, erzeugt ein schnelles Taktsignal. Wir konnten das nicht langsamer hin bekommen“, so Kevin. Macht ja nichts, die Modellwelt tickt halt rasanter und wenn man das Licht im Physikraum ausschaltet, wird es auch ganz schnell Nacht in der Ampelstadt und die Straßenbeleuchtung geht automatisch an.
Gelungenes Finale
Die Technologie dafür steckt in dem zweiten Gebäude, einem roten Backsteinbau. Kevin lüftet das Flachdach und zeigt auf einen Sensor und eine Schaltung mit einer Kabelverbindung zu den LED-Leuchten. „Sie ergeben ein weißes, fast taghelles Licht, das weniger ermüdet“, lobt einer der Sprecher in dem Wettbewerbsfilm. Auch Physiklehrer Armin Kunz ist begeistert. Mehr noch von der Projektarbeit als von dem Licht. Die Schüler hätten sich gegenseitig motiviert, voll engagiert und ganz selbstständig gearbeitet: „Das ist ein würdiger Schlusspunkt“, findet Kunz.
Wissen aus vier Semestern
Verrückte Motto-Tage und wilde Streiche. Wenn Abiturienten ihre letzten regulären Unterrichtsstunden haben, versuchen sie sich und ihrem Jahrgang ein Denkmal zu setzen. Die Physik und Chemieprofilschüler vom AvH haben das geschafft. Geradezu bescheiden und fast unbemerkt, hinterlassen sie ihrer Schule Impulse für den technologischen Wandel. Und Zukunftsmodelle, in die das Wissen aus vier Profilsemestern eingeflossen ist.