Eine Woche voller Photonen: Lehrerfortbildung am DESY
27.10.2014Das Rezept ist so einfach wie bestechend: Man nehme Aluminiumplatten – einfache Alufolie aus dem Haushalt tut es auch – kombiniere mit Widerständen und Isolationsmaterial, justiere in einem Glaskasten – und fertig ist der UV-Laser. Sofern man es schafft, zwischen die Aluminiumplatten eine Hochspannung zu legen, die wiederum den Stickstoff aus der Luft durch eine sehr kurzzeitige und intensive elektrische Gasentladung zum Lasern bringt. Physiklehrer Frank Tschepke und Ingenieur Johann Derksel haben gefräst, gesägt, justiert und probiert. Mit Erfolg: „Es knallt und blitzt“, verspricht Tschepke und schiebt eine leuchtende Lösung vor die Laseröffnung. Im fluoreszierenden Gelb, „das Innenleben eines Textmarkers“, sieht man blaue Lichtstreifen – ultraviolettes Laserlicht.
Begeisterung weitertragen
Den Trick mit dem Textmarker hat Tschepke einem YouTube-Video entnommen. Am Abend der einwöchigen Fortbildung am „Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY“ war der Hansa-Gymnasiallehrer elektrisiert genug, um auch am häuslichen Rechner noch dranzubleiben. „Wenn man versucht, Laser physikalisch zu verstehen, ist es keine schlechte Idee, mit diesem hier anzufangen“, meint der promovierte Physiker. Am Ende der Fortbildung wird er seinen Laser mitnehmen, den Schülern vorführen und so Begeisterung weitertragen. „Man könnte sich vorstellen, da 'Jugend forscht'-Projekte dranzuhängen, um etwa die Frequenzen genauer zu messen oder die Strahlung heraufzusetzen.“
Den Anfang machte die NAT-Jahrestagung
Begeisterte Lehrer machen begeisterte Schüler, lautet die Faustformel, mit der im DESY die Lehrerfortbildung in wenigen Monaten auf die Beine gestellt wurde. Das Großforschungszentrum ist seit Januar 2014 in der Trägerschaft der NAT – und so entstammt die Fortbildungsidee auch einem Workshop der NAT-Jahrestagung. Zunächst sollten nur die Wünsche der Lehrer eruiert werden. Am Ende gab es dann aber einen konkreten, zeitnahen Termin: „Professor Santra war die treibende Kraft, er meinte, wenn wir das nicht gleich umsetzen, verpufft das“, erklärt Karen Ong, Leiterin des DESY-Schülerlabors physik.begreifen und verantwortlich für die Organisation der Fortbildung. Das Pilotprojekt will herausfinden, wie man Wissenschaft in die Schulen bringen kann und daraus eine kontinuierliche Veranstaltung machen.
Moleküle sichtbar machen
Acht Wissenschaftler haben sich spontan bereit erklärt, die Lehrer eine Woche lang in ihre Forschungsarbeit einzuführen. „Wir waren selbst überrascht von der großen Resonanz“, sagt Karen Ong. Bis auf den UV-Laser handelt es sich um Experimente, die auch tatsächlich im „Center for Free-Electron Laser Science CFEL“ gemacht werden. „Hier geht es um Photonen, um Materie und ihre Zusammensetzung, das ist handfester als die Teilchenphysik.“ Während diese sich mehr ins CERN verlagere, werde die Forschung mit Photonen in Hamburg wichtiger, unterstreicht Ong. „Das wollen wir mit der Lehrerfortbildung abbilden.“
Zweimal heißer als der Kern der Sonne
In der Forschungsgruppe „Theoretische Physik“, die Professor Robin Santra am CFEL leitet, blickt Kerstin Ottenberg auf endlose Zahlenkolonnen auf großen Bildschirmen. Wissenschaftler Sang-Kil Son hat die Physiklehrerin vom Friedrich-Ebert-Gymnasium sowohl in die Computerprogramme als auch in seine theoretischen Experimente eingeführt – in englischer Sprache. Der Physikochemiker stammt aus Korea. „Wir beschreiben die Materie und ihre Interaktionen in der Theorie anhand von Modellen und Programmen“, erklärt Son. Zumal es sich um Experimente handelt, die so noch nicht in der Praxis durchführbar sind. Beispielsweise geht es um die Wärmekapazität von Eisen unter extremen Temperaturen, „zweimal heißer als der Kern der Sonne.“ Dabei haben Son und Ottenberg eine Kurvenverlauf herausbekommen, der sich nicht mit den Annahmen der Physiklehrbücher deckt. „Das ist doch spannend“, sagt Ottenberg.
Das Bad in der Wissenschaft
Am Nachmittag will sich das Forscherteam mit Professor Santra zusammensetzen und nach Erklärungen suchen. Aber auch wenn die Physiklehrerin selbst keine findet, habe sich die Woche voll gelohnt, betont sie: „Wir tauchen ein in die aktuelle Forschung, die Wissenschaftler geben uns ihre Zeit, das ist wirklich toll.“ Für Frank Tschepke war die Fortbildung schon am dritten Tag ein Erfolg. Und auch Johann Derksel, Tschepkes „betreuender Ingenieur für die Woche“ und sonst als Elektroingenieur zuständig für die Stabilität der Laser, konnte profitieren: „Für mich lief es richtig super, weil ich mir gestern Grundlagen der Quantenphysik erklären lassen konnte – von einem didaktisch versierten Physiklehrer.“