Ein Hertz für Elektrotechnik

01.02.2013

Nein, die Labortische im Institut für Theoretische Elektrotechnik hätten Heinrich Hertz bestimmt nicht gefallen: einfache Hartfaserplatten, schnörkellos und funktional. Dagegen besaß der „Wegbereiter der Elektrotechnik“ einen massiven, edlen Eichentisch, auf dem er Ende des 19. Jahrhunderts zwei kleine Kugeln mit einer Spule zu einem Stromkreis verband. „Den Stromkreis hat er aber zwischen den Kügelchen offen gelassen und beobachtet, wie Funken den Spalt überbrücken“, erzählt Professor Christian Schuster und klickt auf den digitalen Projektor. Jasmina, Daniel und Lennart, Physikprofilschüler des Gymnasiums Ohmoor sehen Fotos von einem bärtigen, jungen Doktor der Physik und seinen Versuchsaufbauten im Halbdunkeln.

Der Ursprung der Telefunken

„Die Funkenentladungen zeigten sich sogar in einer weiteren Spule und sind über die Luft dorthin gelangt“, schwärmt Schuster von der Hertzschen Erfindung, die in die drahtlose Nachrichtenübertragung mündete. „Die Firma Telefunken ist genau davon abgeleitet: Funken werden über Entfernungen, griechisch tele, übertragen.“ Von da ist der Weg dann vergleichsweise kurz zu einem Gerät wie dem heutigen Handy, vereinfacht gesprochen ein Stab, auf dem Strom fließt und Felder erzeugt werden. „Wie und was für ein Feld darum herum erzeugt wird, das ist allerdings sehr kompliziert“, betont der Leiter des Instituts für Theoretische Physik und wirft vier Formeln an die Wand.

Ein Hertz für Elektrotechnik
Ein Hertz für Elektrotechnik
Ein Hertz für Elektrotechnik
Ein Hertz für Elektrotechnik

Es ist ein weites Feld

Es sind die Maxwellgleichungen, die schon alle Anwendungen der Hochfrequenztechnik in ihren Grundzügen enthielten: „Ich persönlich verbringe ein ganzes Semester damit, den Studierenden diese Formeln nahezubringen. Und ich könnte noch zwei, drei Semester so weiter machen.“ Jasmina, Daniel und Lennart können und sollen diese Formeln jetzt noch nicht verstehen. Sie sollen eine Idee bekommen, wie die Physik in die Elektrotechnik übergegangen ist und wofür der Begriff überall in unserem Alltag steht. Über eine kleine Auswahl an Stellenanzeigen beispielsweise, die den vielfältigen Bedarf an Elektrotechnikern verdeutlicht.

Chancen und neue Jobs in der Elektrotechnik

Als Christian Schuster so alt war wie die Elftklässler heute, wusste er schon, wohin ihn die Zukunft führt: ins Physikstudium an die Universität Konstanz. „Da habe ich dann schnell gemerkt, dass die Physik zwar schön ist, aber dass mir doch die Anwendung fehlt.“ Also wechselte er in die Automobilindustrie. „Aber das war mir dann doch wieder zu viel Praxis“, erzählt der Professor. Einen Mittelweg zwischen Theorie und Praxis fand Schuster schließlich in der Theoretischen Elektrotechnik. „Das ist auch immer Anwendung. Elektrotechnik heißt wir machen, wir bauen etwas.“

Ein Hertz für Elektrotechnik
Ein Hertz für Elektrotechnik

Labor mit inneren Werten

Etwa die Leiterplatte für ein schnelles digitales System, die Professor Schuster herumreicht und die Doktorand Andreas Hardock einen Raum weiter im Labor auf ihr Frequenzverhalten untersucht. Mit hochkomplexen Gerätschaften, die das Herz des gleichklingenden Wegbereiters der modernen Physik sicher hätten höher schlagen lassen: „Wir schicken ein Signal, das viele verschiedene Frequenzen hat und schauen, wie sich die Struktur bei jeder einzelnen Frequenz verhält.“ Das sei ein sehr aufwändiges und kompliziertes Verfahren, betont der junge Ingenieur. Entsprechend teuer sei das Gerät: „Das entspricht durchaus einem Einfamilienhaus.“

Mehr als nur Strippen ziehen

Jasmina, Daniel und Lennart bleiben angesichts dieser Dimensionen zwar ganz locker, aber der Funken der Elektrotechnik ist sehr wohl übergesprungen. „Ich habe schon ein Praktikum bei Philipps in dem Bereich absolviert“, erzählt Jasmina. Platinen zu löten sei so spannend wie ein Puzzlespiel. Der Besuch im Institut für Theoretische Elektrotechnik habe ihren Studienwunsch noch weiter bestätigt. Auch wenn sich die 16-Jährige im Studium später auf einen anderen Betreuungsschlüssel einstellen muss: Professor Schuster, Ingenieur Hardock und Oberingenieur Heinz Brüns hatten sich den Stab nacheinander übergeben, um sich drei Oberstufenschülern und ihrem Lehrer vorzustellen. 90 Minuten Begegnung auf Augenhöhe in einem Arbeitsfeld, das weit mehr bietet, als einfach nur Strippen zu ziehen.

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