In der Werkstatt der Wurfgleiter am Gymnasium Ohmoor
13.05.2015Seminarfach steht auf den Stundenplänen der Physikprofilschüler am Gymnasium Ohmoor. Auf den Tischen liegen Klebstoff, Schleifpapier und Tapetenmesser, die Schüler bearbeiten Dämmplatten aus Depron, einer Art Styropor für Flugzeugmodelle – oder ihre Laptops. Sophia, Marie und Hendrik blicken konzentriert auf Tabellen, Formeln und Ziffernfolgen auf dem Bildschirm. „Bei unser ersten Berechnung kam ein Wert heraus, der hundertmal kleiner war, als er sein sollte“, erklärt Sophia. „Weil wir den Fehler nicht gefunden haben, haben wir noch mal von vorn angefangen.“ Was so lapidar klingt, ist höchst komplex. Die Schüler sollen zwar nichts weiter als einen Wurfgleiter bauen, aber dies mit dem Wissen und der Rechenkunst von Ingenieuren.
Planen, Rechnen, Bauen - am Optimum
Dazu haben sie von Detlef Schulze, Professor für Aerodynamik an der HAW Hamburg, eine Einführungsvorlesung und ein Kompendium erhalten, das es in sich hat. „Das geht deutlich über das Schulniveau hinaus“, sagt Physiklehrer Alexander Stammen. Aber wer sich da durcharbeite, bekommt eine Excel-Tabelle an die Hand, mit der schnell gerechnet, variiert und losgelegt werden kann. „Die Schüler arbeiten ja mit bestimmten Annahmen, die sie im weiter überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.“ Jonas (16), Daniel (17) und Jonas (17) haben das getan, bereits ein zweites Modell fertiggestellt und optimiert, das sie nun auf dem Schulhof testen wollen: Der Gleiter steigt steil auf, ebenso schnell wieder ab und landet unsanft auf der Nase.
Ohne Miss kein Erfolg
„Wir haben genau gerechnet und doch fliegt das Modell nicht gut. Was können wir ändern?“, wendet sich Jonas an Tutor Max Köster. Der Student kennt die Höhen und Tiefen im Flugzeugbau, Dranbleiben zählt: „Nehmt weniger Trimm-Masse, dann findet ihr den Schwerpunkt besser und vielleicht könnte man die Abschussvorrichtung höher stellen“, schlägt der 22-Jährige vor. Die Idee der Elftklässler, vom benachbarten Containerdach zu starten, kommt bei ihrem Physiklehrer allerdings nicht gut an: „Jetzt mal keine Harakiri-Kletteraktion.“ Vielmehr rät Stammen den Schülern noch mal Schritt für Schritt durch das Programm zu gehen, um kleine Fehler zu entdecken und die Flieger zu optimieren.
Probieren versus studieren
Drinnen im Fachgebäude wird das durchaus ernst genommen, auch wenn Alicia noch nicht ganz von dem mathematischen Ansatz überzeugt ist: „Man verliert ein wenig den Überblick, rechnet und rechnet und weiß am Ende nicht mehr genau, warum.“ Zusammen mit ihrer Freundin Nathalie hat sie einen recht kleinen Fluggleiter gebaut: „Wir haben die Werte immer weiter reduziert, damit sie zueinander passen.“ Mit der Excel-Tabelle berechnen die Schüler Flügel und Höhenleitwert, der Rumpf muss entsprechend angepasst werden. Die Frage, die Nathalie beschäftigt: Würde ein vierjähriges Kind an einem halben Tag möglicherweise einen ähnlich guten Flieger bauen wie sie in einem halben Jahr? Dabei hat sie die Gruppe von Moritz im Blick, die neben einem berechneten Modell auch einen „frei Hand“ baut und starten lässt: „Der fliegt wirklich super“, wundert sich Moritz selbst.
Das beste aller Fächer
Aber die Schüler wissen, ein Flugzeug gebaut nach dem Prinzip Anarchie hat keine Zukunft. Und so rechnet Sophia konsequent weiter: „Man kann es nicht ohne diesen Wert bauen“, ist die 17-Jährige überzeugt. „Wenn wir das fertig haben, wird es, denke ich, ganz gut“, ergänzt Hendrik. Das klingt noch etwas zögerlich. Aber da ist etwas dran: „Das ist ein cooles Projekt“, meint Leander. Auf jeden Fall viel besser als andere Fächer, ergänzt Tobias. „Wir haben uns Mühe gegeben, schnell gerechnet und schon den fünften Flieger gebaut. Jetzt macht es richtig Spaß.“ Freude wie im Fluge!