Die Kraft des freien Wortes - das Modul „Wellen“ im Institut für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg

23.11.2011

Powerpoint ohne Power. Die Präsentation will sich einfach nicht öffnen lassen. Eine Frage der Kompatibilität der Versionen, die nicht nach oben funktioniert: Die Schüler benutzten Office 2010, die Technische Universität arbeitet mit der Vorgängerversion. Der Alptraum eines jeden Präsentators, egal ob er mehr oder weniger zu sagen hat. Aber Saskia, Niklas und Ron ficht das nicht an. Die drei Zwölftklässler vom Friedrich-Ebert-Gymnasium haben vor einer Woche im Labor des Instituts für Nachrichtentechnik eine Schaltung gelötet, mit der sie eine Winkelmessung durchführen konnten. Dazu mussten sie zwei Empfangsantennen auf eine Platine befestigen und eine Menge Kabel verbinden. „Eine frickelige Arbeit“, sagt Tutor Joachim Wilharm. „Man muss sehr fein arbeiten, um halbwegs plausible Ergebnisse zu bekommen.“

Unterstützung vom Fachmann

Es ist auch nicht ganz ohne Probleme gegangen, wie Saskia berichtet. „Wir wussten am Anfang gar nicht, wie wir es machen sollten. Das Löten hat zwar viel Spaß gemacht, aber das war schon schwierig.“ Umso großartiger das Gefühl, als am Ende dann doch alles funktioniert hat, betont die 17jährige. Teamkollege Ron gibt zu, dass das nur mit Unterstützung der Tutoren gelungen sei: „Man ist schon ziemlich im Dunkeln getappt. Es gab einen Fehler in unserer Konstruktion. Von selbst wären wir da nie darauf gekommen, aber wir sind halt auch keine E-Techniker.“

Die Kraft des freien Wortes
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Viel gelernt

Noch nicht, scherzt Professor Hermann Rohling. Der Institutsleiter hat nicht nur die Eingangsvorlesung im Projektpraktikum gehalten. Er ist auch zu den Abschlusspräsentationen gekommen, um zu hören, was die Schüler aus den Versuchen mit Ultraschallwellen mitgenommen haben. Dafür hatten sich die fünfzehn Physikprofilschüler auf fünf Arbeitsgruppen verteilt und zu den Themen Entfernungs-, Geschwindigkeits- oder Winkelmessung gearbeitet. „Ich habe das Wort Problem heute so häufig gehört“, konstatiert Rohling, als am Ende die „Winkelmesser“ vorne an der Tafel stehen.

Aus Problemem Lösungen entwickeln

Ja, aber ein handfestes Problem ist immer ein guter Anfang. Zumal, wenn man es benennen und Lösungswege entwickeln kann. So wie jetzt Niklas vorne die Tafel herunter schiebt, Saskia Platine, Reflexionsobjekt und Oszilloskop, das Messgerät zur Darstellung elektrischer Spannungen, anzeichnet und Ron erklärt: „Wir haben unsere Platine mit dem Oszilloskop verbunden und dann eine Sinuswelle angezeigt bekommen.“ Saskia zeichnet den Signalgenerator und die Sinuswelle an die Tafel, Ron fährt fort: „Wenn wir jetzt unser Hindernis gedreht haben, hat sich diese Sinuswelle verändert.“ „Der Gangunterschied hat sich verändert“, ergänzt Niklas.

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Das Beste aus den Möglichkeiten machen

Ziel des Experimentes war es, den Winkel zu bestimmen, unter dem das Objekt aus Legobausteinen beobachtet wird. Dafür hat die Gruppe eine Platine mit zwei Empfängern, einem Sender und den entsprechenden Verstärkern gebaut, ein Sinussignal über den Generator erzeugt und das Reflexionsobjekt zwischen Sender und Empfänger gestellt. Über den Phasenunterschied der beiden Empfangssignale kann der Winkel des Zielobjektes bestimmt werden. Das gelang den Profilschülern bis zu einem Winkel von 14 Grad. „Wenn wir unser Hindernis um 14 Grad verdreht haben, wurde genau ein Lambda angezeigt“, sagt Ron. Damit war eine Wellenlänge ausgeschöpft, jede größere Winkelmessung wurde mehrdeutig. „Hätten wir kleinere Receiver genommen, hätten wir präzisere Ergebnisse bekommen.“

Großes Lob für die Schüler

Mit der Bauart, die das Tutorenteam vorgegeben hatte, war aber nicht mehr Eindeutigkeit möglich. „Die Empfangskapseln waren so groß, dass sie nicht näher nebeneinander angebracht werden konnten“, erklärt Joachim Wilharm und ist mit den Ergebnissen der Schüler voll zufrieden: „Es ist schön, dass das hier so gut erklärt wurde.“ Vor allem frei von jeder Vorlage: „Die Schüler haben verstanden, was sie hier präsentiert haben, sie müssen sich nicht an ihren Folien lang hangeln.“ Kollege Matthias Kronauge gibt das Lob sogleich an alle Teams weiter: „Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass die Schüler so schnell und so gut mit den Aufgabenstellungen klarkommen.“ Das gelte für die Vorbereitungsaufgaben am ersten Termin, die Umsetzung und vor allem die Präsentationen. „Ehrlich, ich bin schwer begeistert.“

Die Kraft des freien Wortes
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Spaß an der Praxis

Mit ihrem Lob befinden sich die Doktoranden auf einer Wellenlänge mit den Schülern: Auch wenn es „problematisch“, „kurzschlussreich“ und ein echter Lernprozess gewesen sei, die Platine selbst zu bauen, habe gerade der praktische Teil Schülern Spaß gemacht, sagen die Schüler. Eine echte Abwechslung zum Physikunterricht, meint Andreas von der Gruppe Geschwindigkeitsmessung: „Wir haben das ja alles schon mal in der Theorie gemacht. Aber die Praxis ist einfach interessanter als die Rechnung auf dem Papier.“ Lehrer Rolf Bußmann kann damit leben „Die Stofffülle wird immer größer – das ist Gift für den Unterricht“, weiß er. Da sind Projekte wie die Ultraschallmessung Labsal für die Physikerseele. „Es hat mich fasziniert, dass man mit relativ einfachen Mitteln einen Radar bauen kann und damit tatsächlich messen kann“, lobt Conny, die sich mit Entfernungsmessung befasst hat. 

Breit gefächerte Berufswünsche

Aber der gegenseitigen Zufriedenheit zum Trotz: Keiner der Profilschüler kann sich vorstellen nach dem Abitur im nächsten Jahr in die Elektrotechnik zu gehen. Dagegen stehen „Wirtschaftsingenieurswesen“ und „Maschinenbau“ hoch im Kurs, auch Psychologe, Architektin oder Mathelehrer sind als Wunschberufe vertreten. Auch kein Problem für Hermann Rohling: „Das hier ist keine Werbeveranstaltung. Wenn Ihr jetzt eine Idee habt, was die Ingenieurswissenschaften ausmacht und mit diesem Wissen eure Studienentscheidung trefft, ist schon viel gewonnen.“

Doktoranden steht die Welt offen

Genug Interessenten hat das Institut für Nachrichtentechnik sowieso: viele Studierende, Doktoranden und noch mehr Abnehmer aus der freien Wirtschaft. Professor Rohling tippt auf veröffentlichte Doktorarbeiten in einem großen Glasrahmen und sagt an, wo die jeweiligen Autoren verblieben sind: Bei Siemens in China, bei Volkswagen, Airbus, im Patentamt etwa oder in der Selbstständigkeit – „Und zwar sehr erfolgreich mit Mobilsoftware, den Apps“, so Rohling. Vier Plätze hinter Glas sind noch frei. Einer für Matthias Kronauge, der am Thema Automobilradar forscht. Einer für Joachim Wilharm und sein Thema „Selbstorganisation in der Kommunikation.“ Zwei für forsche Nachwuchswissenschaftler in Signalbereitschaft, wer weiß.

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