Den Schalter umgelegt: Profilschüler erkunden alternative Energiekonzepte

12.05.2010

Strom kann man nicht sehen, nicht riechen, nicht schmecken und wenn man ihn fühlt, ist das nicht selten endgültig. Henri kann Elektrizität oder zumindest ihre Wirkungen hörbar machen: Der Gymnasiast hält einen Prüfer vor einen der Transformatoren, der im E.ON Hanse Umspannwerk Strom von 110 000 Volt auf 20 000 Volt herunter transformiert. Es summt hörbar. „Das ist schon wie ein kleines Gewitter, wenn der Strom überspringt“, erklärt E.ON-Projektleiter Heiko Boyens.

Beste Bedingungen

Aber von Gewitter keine Spur: der Himmel über dem Umspannwerk Marne ist strahlend blau, keine Wolke, kein Luftzug. Das ist gut für die 26 Grootmoor Schüler, die bereits satte zwölf Kilometer von ihrer Unterkunft in Sankt Michaelisdonn bis ins Umspannwerk zurückgelegt haben und zurück noch den Umweg über den Windpark Kaiser-Wilhelm-Koog nehmen wollen. Das ist schlecht für die E.ON Hanse AG, die im größten Werk Schleswig-Holsteins hauptsächlich den von Windkraftwerken erzeugten Strom aufnimmt und abtransportiert. „Keineswegs“, widerspricht Projektleiter Boyens. „Wir bekommen eher Probleme, wenn der Wind weht und gleichzeitig die Sonne scheint.“

Den Schalter umgelegt
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Zu viel Leistung

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Jahr 2000 hat der Ausbau von Wind- und Solarenergieanlagen im Raum Dithmarschen stark zugenommen. „Wir werden mit Photovoltaik überrannt“, so Boyens. Auch wenn der sechste Transformator im Umspannwerk bereits im Bau, der siebte in Planung ist, kommt der Netzbetreiber derzeit kaum hinterher. „So schnell können wir nicht bauen, zumal die Maßnahmen ja auch von den E.ON Hanse-Kunden bezahlt werden müssen.“ Um die Transformatoren und Freileitungen vor Überlastungen zu schützen, betreibt das Unternehmen ein eigenes Netzsicherheitsmanagement. „Es kommt schon mal vor, dass wir aufgrund zu hoher Leistung einige Einspeiser abschalten müssen.“

Alles ausnutzen

Was nicht bedeutet, dass im benachbarten Marne oder Sankt Michaelisdonn die Lichter ausgehen. Schon das halbe Umspannwerk reicht aus, um die Bevölkerung im Süden Dithmarschens zu versorgen. Der andere Teil wird in das europäische Verbundnetz eingespeist: „Käufer haben wir immer, aber der Preis ist ein niedriger“, erklärt Heiko Boyens. Ob es Ideen gebe, wie man die überschüssige Energie anderweitig nutzen könne, möchten die Schüler wissen: „E.ON Hanse hat eine eigene Forschungsabteilung, die sich mit den Fragen der Speicherung und Vorratshaltung befasst, aber das ist schwierig.“

Den Schalter umgelegt
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Praktische Klammer

Das wissen die Oberstufenschüler selbst: Das von ihnen gewählte Profil „Energietechnik und Nachhaltigkeit“ hat sich im ersten Semester mit Windkraft beschäftigt und jeder Schüler hat einen kleinen Generator gebaut. Im zweiten Semester ist die Wasserkraft dran und tatsächlich planen die Schüler gerade, wie sie die Wellenbewegung im 3 Meter mal 40 Zentimeter großen Wasserbecken der Physik für die Energiegewinnung nutzen können. Die zweitägige Profilfahrt nach St. Michaelisdonn ist die praktische Klammer zwischen den Semestern und dreht sich auch um die Frage der Machbarkeiten und Versorgungssicherheit.

Schwere Stolpersteine

Zumindest gibt es erhebliche Stolpersteine „auf dem Weg zu hundertprozentig erneuerbaren Energieformen“, so Titel und Ziel des ehrgeizigen Energiekonzeptes der Gemeinde. Ein Stolperstein ist der Widerstand der Anwohner gegen die Geruchsbelästigung der Biogasanlage, die mit Essensabfällen, Schredder und Elbschlamm arbeitet. Ein weiterer ist die Unabhängigkeit von Versorgern wie der E.ON Hanse AG und der damit verbundene Zwang zur Wirtschaftlichkeit. „Die Bioenergieregion möchte das Netz von uns abkaufen und ein eigene Versorgung aufbauen“, erklärt E.ON-Hanse Ausbilder Arne Stöhlmacker. Das sei zwar generell möglich, aber dann gebe es auch keinen Bereitschaftsdienst und keine Umbauten mehr durch den Dienstleister - und auch nicht automatisch Kunden, die zur Übernahme bereit wären. „Die Kunden können ja den Netzbetreiber frei wählen.“

Besonderes Interesse

Der Ausbilder hatte selbst den Kontakt zwischen Energiebüro in Sankt Michaelisdonn und Gymnasium Grootmoor, einer der E.ON Hanse Partnerschulen hergestellt. „Regenerative Energien sind eigentlich bei jeder Schule, mit der wir sprechen, Thema.“ Aber die Intensität, mit der sich die Grootmoor Schüler damit beschäftigen, ist schon etwas Besonderes. Bis zu vier DIN A4 Seiten Rechercheergebnisse liefern die Schüler aus zwei Profilklassen gerade bei ihren Physiklehrern ab. Fragen zum Energiekonzept der Region, zu Windkraftanlagen im Test, zur WESpe, einem kleinen Windenergiesystem für Privatpersonen sowie zum Umspannwerk Marne sollen sie darin beantworten. Etwa vor welchen Herausforderungen ein Netzbetreiber beim Transport elektrischer Energie steht. Sinnbild dieser Herausforderungen ist ein 15 Zentimeter dickes, wasserdicht verschweißtes Aluminiumkabel zur Versorgung von Ölförderplattformen. „Zu sehen, wie viele unterschiedliche Voltkabel es für welche Aufgaben gibt, das war schon sehr spannend“, sagt Profilschüler Anton.

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