Hamburgs zweiter Schülerkongress „Meerklima entdecken“

09.06.2017

Nieselregen, hohe Luftfeuchte, maximal 18 Grad – es sind solche Tage, an denen das Postfach von Mojib Latif gern mal überquellt. Dann stellen genervte Ostsee-Urlauber oder notorische Lügenpresse-Verfechter die Erderwärmung schlichtweg in Frage. Aber an diesem Junitag hat der Klimaforscher keine Zeit für Mails: Er steht im vollbesetzten Hörsaal A im Fachbereich Chemie – den größten, den die naturwissenschaftliche MIN-Fakultät der Universität Hamburg besitzt und nimmt sich Zeit für nahezu 700 Schüler. Sie alle sind der Einladung des NAT-Schülerbeirates gefolgt und wollen sich von Wissenschaftlern Erkenntnisse und Technologien beim Klimawandel und Meeresschutz erklären lassen. Dass Schüler dabei selbst aktiv wurden, hat wiederum den Hochschullehrer Latif sofort überzeugt: „Man muss sein Schicksal auch selbst in die Hand nehmen.“

„Wir haben ein Umsetzungsproblem“

Als Latif vor 40 Jahren im Hörsaal A in Hamburg Meteorologie studierte, stieß er auf ein „altes Forschungsthema“, den Klimawandel: „Schon vor 120 Jahren hat der spätere Nobelpreisträger Savante Arrhenius nachgewiesen, dass die Erde sich erwärmen muss, wenn der Gehalt an CO2 steigt.“ Heute können wir mit Hilfe moderner Rechner und Satelliten enorme Datenmengen bündeln und vergleichen: Latif zeigt in schnellen Animationen, wie sich chaotisch, und damit regional unterschiedlich ausgeprägt, aber doch langfristig nachweisbar die Erde erwärmt – am stärksten in der Nordpolarregion, wo das arktische Meereis stark abnimmt. „Das war ein super Einstieg in die Thematik“, lobt Physiklehrerin Ulrike Vogt vom Gymnasium Süderelbe. Ihre Schule ist gleich mit drei Profilen, Physik, Geographie und Biologie, auf dem Kongress vertreten. „Man kann hier ganz wunderbar fächerübergreifend arbeiten.“

Mit Technik Probleme lösen

Vogts Schüler aus dem Physikprofil „Energie und Umwelttechnologie“ halten schon das Kongressprogramm in der Hand: „Ich möchte erfahren, wie man das Meer nachhaltig nutzen kann“, sagt Claas. Die Verbindung aus neuester Forschung und technischen Lösungen interessiert auch seine Mitschüler, nacheinander hören sie Vorträge zur Technik der Offshore-Energie und ihren Folgen, zu kleinen Wasserwirbeln und wie aufwändig es ist, sie zu erforschen – sowie zum Plastikmüll. „Es gibt einen riesigen Energie- und Lebensmittelbedarf, der Mensch macht die Umwelt, egal wie, kaputt“, sagt Klara. Aber die 17-Jährige ist gleichzeitig überzeugt, dass es weitergehen wird – mit Tieren, die irgendwann Plastik umsetzen können und neuen Technologien, die etwa Offshore umweltverträglicher machen oder mit Zeppelinen und Jet-Skis kleinste Wasserwirbel erforschen.

Der Vortrag ist für euch!

„Ihr könnt unterbrechen und wenn das eine Diskussion wird, ist das auch in Ordnung“, begrüßt Burkard Baschek, Projektleiter „Uhrwerk Ozean“ im Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung die Schüler. Die haben durchaus Ideen: Könnte man nicht mit Sensoren Wale ausstatten, die ja in den Wirbeln nach Nahrung suchen, schlägt eine Schülerin vor. „Ein sehr interessanter Aspekt“, lobt Baschek. Man müsste nur eine große Menge an Tieren haben und lernen, die Daten zu interpretieren. In den Meeren und Ozeanen warten noch viele Forschungsaufgaben. Das ist die eine Botschaft des Kongresses. Die zweite: Junge, unverbrauchte Ideen sind gefragt. „Bleibt phantasievoll! Seid verwegen!“, gibt Ulrike Vogt ihren Schülern mit auf den Weg. Die Süderelbler sollen als Multiplikatoren zurückkommen und Mittelstuflern Wissen weitergeben: Wie nimmt der Organismus Plastik auf, wie setzt dieser sich chemisch zusammen, welche Meeresströmungen verbreiten ihn. Denn das sei die dritte Kongress-Botschaft: „Keine Wissenschaft kann das Problem allein lösen!“

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