Date mit einer attraktiven Unbekannten: der Wissenschaft!

10.02.2012

Forschungsschwerpunkte in alltagsrelevanten Häppchen servieren, Geschmack auf ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium machen und Wege in unterschiedliche Forscherkarrieren aufzeigen: Die 15 Wissenschaftler, die sich an diesem Montagvormittag im Geomatikum der Universität Hamburg versammeln, haben sich eine Menge vorgenommen. Viermal hintereinander wollen sie sich und ihr Fach präsentieren. Vor Schülerinnen und Schülern der Profiloberstufe und damit für zukünftige Schulabgänger, die vielleicht schon eine Studienwahl getroffen haben und diese verifizieren wollen. Oder die noch gar nicht wissen, wohin die Reise gehen soll und eine Anregung brauchen.

Überraschungen nicht ausgeschlossen

Jan Peter weiß schon, was er will. „Mathematik studieren“, sagt der Johann-Rist-Gymnasiast aus Wedel. Allenfalls käme noch die Theoretische Physik in Frage. „Ich bin keiner, der Experimente macht. Ich bin der, der mit den Formeln jongliert.“ Der Zufallsgenerator hat den 17-Jährigen der Gruppe „Wilhelm C. Röntgen“ zugeordnet. Tutor Robin, Student der Technischen Universität Hamburg-Harburg, führt die Teilnehmer hoch hinauf in den 12. Stock zum Arbeitszimmer von Professor Heinrich Graener. Schon merkwürdig, dass dieser Name sonst in keiner Liste auftauche und es kein Thema gebe, findet Jan Peter. Dafür trifft die Röntgen-Gruppe auf den Dekan der MIN-Fakultät höchst persönlich.

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Dann frag ich halt Sie

Was sich hinter dem altmodischen Namen Dekan verbirgt, hatte der Fachbereichsleiter für die Fächer Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften schon in seiner Begrüßungsrede im Hörsaal verdeutlicht. Nun lädt er eine einzige Gruppe zum Gespräch – stellt sich kurz vor und bittet um Fragen: „Die einzige dumme Frage ist die, die man nicht stellt.“ Es ist allerdings nicht einfach, die Schülerbrille abzulegen und für sich selbst und seine Zukunft fragend einzutreten. Dazu noch vor völlig fremden Gleichaltrigen anderer Schulen. Dann die erste Frage von Robin: „Wie sehen Sie Ihren Fachbereich im Vergleich zu anderen deutschen Fakultäten?“ Graener berichtet von Anträgen aus der Exzellenzinitiative, lässt aber nicht locker: „Wenn Sie mich nicht fragen, dann frag ich halt Sie.“ Der Physiker will wissen, wohin die Schüler zukünftig tendieren. Es entwickelt sich ein Gespräch über die Wichtigkeit, seine eigenen Interessen zu entdecken, die Chancen der Physiker auf dem Arbeitsmarkt und Unterschiede zwischen Schule und Forschung: Als nämlich Lena vom Alexander-von-Humboldt-Gymnasium sich über die Vorhersagbarkeit der Physik beklagt: „Man macht einen Riesenversuchsaufbau und weiß doch schon vorher, was dabei herauskommen soll.“

Beschäftigung mit dem Unbekannten

„Zu Ihrer Beruhigung, ich wusste bei einem Experiment nie, was dabei herauskam“, erzählt der Dekan aus seinem Studium. Das gelte übrigens für jedes Fach und sei der Unterschied zum schulischen Lernen, weil es in der Forschung eben nicht mehr um bekannte Dinge gehe. „Wissenschaft ist immer die Beschäftigung mit dem Unbekannten.“ Man trete an mit einer Idee, die aber der Überprüfung im Experiment oft nicht standhalte. „Und das ist der eigentlich spannende Teil daran.“ Das Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis weckt auch Jan Peters Interesse. „Das war ein guter Termin“, findet er, als Robin zum Aufbruch drängt: Die Röntgen-Gruppe muss zu ihrem zweiten Date bei Professor Andreas Timm-Giel. Das Thema „Kommunikationsnetze“ hätte sich Jan Peter selbst nicht ausgesucht. Doch dann überzeugt ihn das Gespräch so sehr, dass er den Mobilfunkexperten nach der Mittagspause gleich noch einmal besucht.

Neues entdecken - Begeisterung wecken

Genau dies seien die Chancen beim Speed-Dating, erklärt NaT-Geschäftsführerin Sabine Fernau: „Die Schüler entdecken neue Themen für sich. Auch solche, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie spannend finden könnten.“ Die Initiative hat die Idee eines wissenschaftlichen Speed-Datings in Zusammenarbeit mit fünf Hamburger Hochschulen und der Körber-Stiftung eingeführt. Zunächst bezogen auf die Profilwahl für Zehntklässler, jetzt für Schüler der Profiloberstufe vor der Studien- und Berufswahl. Jeweils drei Wissenschaftler der HafenCity Universität (HCU), der Helmut-Schmidt-Universität (HSU), der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg), der Universität Hamburg (UHH) sowie der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) sind beteiligt.

Finanziert wird das Speed-Dating aus Mitteln des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft: Genau für diese Art hochschulübergreifende Zusammenarbeit hatte der Verbundantrag der Initiative NaT den Wettbewerb „Nachhaltige Hochschulstrategien für mehr MINT-Absolventen“ 2010 gewonnen. Daher ist es für die beteiligten Hochschullehrer auch kein Problem, wenn einzelne Fachbereiche in den beiden letzten frei wählbaren Runden häufiger nachgefragt werden als andere. „Die Hauptsache ist, dass wir die Schüler für naturwissenschaftliche oder ingenieurwissenschaftliche Studiengänge begeistern. Dabei ziehen wir alle an einem Strang“, sagt Sabine Fernau. Jan Peter wählt für sein letztes Date das Thema „Stadtplanung“ bei Professor Wolfgang Dickhaut: „Mathematiker habe ich genug in meiner Familie, die ich befragen kann. Heute wollte ich mal etwas anderes kennen lernen.“

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