Chemie hat gestimmt
22.06.2010Interview mit Kathrin Bien, 23, Chemielaborantin Sika Automotive
Wir schreiben eine Rezeptur, da steht drin, was zugegeben werden muss und wie lange es gerührt wird, ganz wie in einem Kochrezept. Aber sieht der Klebstoff am Ende tatsächlich so aus, wie er aussehen soll, hat er haargenau die gewünschten Eigenschaften? Für diese Fragen begleiten wir den Produktionsprozess und geben den Mitarbeitern eine Art Rückversicherung. Das ist eine Zusammenarbeit.
NaT: Frau Bien, wie lief die Kooperation mit der ersten Gruppe vom Matthias-Claudius-Gymnasium aus Ihrer Sicht?
Ich denke mal, der Tag ist gut verlaufen, die Schüler haben Praxisbezug bekommen und das Handling kennen gelernt. Etwa als sie gesehen haben, dass die Klebstoffe immer längere Fäden ziehen umso kälter sie werden. Die Schüler haben schön miteinander gearbeitet, das ist eine ganz gute Truppe gewesen. Ich muss zugeben, ich war total aufgeregt, schon seit Tagen, weil ich ja auch überhaupt nicht wusste, was auf mich zukommt und wie die so drauf sind. Aber als ich die Gruppe gesehen habe, war ich schon viel entspannter. Von der Chemie her, hat es gepasst.
NaT: Sie stehen den Schülern ja auch altersmäßig nahe und können das noch mit Ihrem Chemieunterricht oder Leistungskurs vergleichen...
Den Chemieleistungskurs hatte ich nicht, weil ich zunächst einen Realschulabschluss gemacht und dann über die Berufsfachschule das Abitur nachgeholt habe. Chemieunterricht fand da leider kaum statt, aber durch meine Mutter, die in einem Fruchtsaft verarbeitenden Betrieb tätig ist, ist das Interesse geweckt geworden, Proben zu nehmen, genau zu sein, auch mal am PC zu arbeiten. Ich habe dann ein Praktikum gemacht und mich auf eine Ausbildungsstelle zur Chemielaborantin beworben. Und die Sika wollte mich haben.
NaT: Nach der Ausbildung sind Sie dann übernommen worden. Wie geht es Ihnen damit jetzt?
Es gefällt mir hier total gut, die Arbeit ist kreativ, wir arbeiten im Team und besprechen viel miteinander. Am Anfang habe ich gedacht, ich kriege das nie auf die Reihe und konnte die Auswirkungen, wenn ich zum Beispiel den Prozentsatz einer Substanz in einer Rezeptur änderte, schlecht abschätzen. Aber irgendwann kriegt man ein Gefühl dafür und das ist total super, vor allem wenn das Erfolg bringt. NaT: Woran arbeiten Sie gerade? Ich arbeite gerade an einem neu entwickelten Produkt, das im Labor super Werte erzielt. Aber wenn wir es in der Produktion herstellen, finden wir die Werte nicht wieder, jedenfalls nicht alle.
NaT: Sie lösen sozusagen Rätsel. Das klingt spannend!
Auf jeden Fall. Natürlich sind die Bedingungen in der Produktion anders als im Labor, das sind riesige Reaktoren, die kriegen das Vakuum gar nicht so weit runter wie wir. Daher sind wir auch immer dabei, wenn ein neuer Klebstoff zum ersten Mal produziert wird. Wir schreiben eine Rezeptur, da steht drin, was zugegeben werden muss und wie lange es gerührt wird, ganz wie in einem Kochrezept. Aber sieht der Klebstoff am Ende tatsächlich so aus, wie er aussehen soll, hat er haargenau die gewünschten Eigenschaften? Für diese Fragen begleiten wir den Produktionsprozess und geben den Mitarbeitern eine Art Rückversicherung. Das ist eine Zusammenarbeit.
NaT: Was können Sie aus der Schule dafür verwenden?
Mathematisches Fachwissen und naturwissenschaftliche Zusammenhänge gehören dazu. Im Endeffekt kann ich nicht so viel verwenden, aber ich hatte ja nur Chemie bis zur elften Klasse. Selbst von meinem Berufsschulwissen kann ich nur einen Bruchteil verwenden. Polyurethane wurden da auch nur sehr kurz gestreift, in 20 Minuten im letzten Schulblock - das ist nur ein winziger Teil von dem, was ich jetzt weiß. Die Ausbildung legt die Grundlagen, die Praxis spezialisiert. Das ist schon gut so und man lernt immer weiter.
NaT: Was ist das Tolle an der Forschung und Entwicklung?
Die Zusammenarbeit im Team und die Rückmeldung durch die Kunden. Wenn ich als Auszubildende an einem Klebstoff mitgearbeitet habe, der dann zum Kunden geht und in großen Mengen bestellt wird, dann ist das ein super Erfolgserlebnis. Dann ist klar, man hat nicht den ganzen Tag umsonst gemessen, sondern Produktionsprozesse verbessert.