Check-in für Fortgeschrittene: 90 Minuten Lufthansa Technik
13.06.2013Was ist der Unterschied zwischen einem defekten Handy und einem kaputten Flugschreiber? Das Handy landet im Recycling, der Flugschreiber in der Reparatur. Möglicherweise bei der Lufthansa Technik in Hamburg-Fuhlsbüttel. Da ist auch der Physikprofilkurs „Fertig zum Abheben“ vom Gymnasium Ohmoor an diesem sonnigen Vormittag pünktlich angekommen. Zwei Stunden Chemie haben die Elftklässler schon hinter sich, „90 Minuten MINT“ noch vor sich. So nennt sich das NAT-Programm, das Schüler kurz und knackig in den Arbeitsalltag von Naturwissenschaftlern oder Ingenieuren einführt.
Karriere im Fluge
Etwa in das Aufgabengebiet von Helge Sachs. In Aachen und Toulouse hat er Luft- und Raumfahrttechnik studiert, im Institut für Flugzeug-Systemtechnik an der TUHH promoviert. Jetzt leitet Sachs bei der Lufthansa Technik ein Team im Geschäftsbereich „Component Services“: Das ist ein sehr spannender Bereich, nicht nur weil technologisch sehr anspruchsvoll, sondern auch weil er einen Großteil der Rendite unserer Firma ausmacht“, erklärt der Ingenieur. Mit anderen Worten, das Unternehmen ist bei den Komponenten, den Flugzeuggeräten, besonders erfolgreich. Damit es dabei bleibt, entwickeln Sachs' Mitarbeiter zusammen mit anderen Teams Teststände und Verfahren zur verbesserten und kostengünstigen Instandhaltung zukünftiger Fluggeräte.
Kraftprotz auf dem Prüfstand
Flugsteuerungsaktuatoren sind so ein Fall für den Prüfstand. Das Wortungetüm steht für hydraulische Stellzylinder, die Flugzeugsteuerflächen betätigen. Dazu gehören zum Beispiel Spoiler und Querruder. „Hier haben wir einen Querruder-Aktuator aus dem Airbus A330“, sagt Mitarbeiter Oliver Ritter und zeigt auf einen Koloss aus Aluminium und Stahl hinter einer Sicherheitsscheibe. Eine hydraulische Flüssigkeit strömt unter hohem Druck in den Aktuator, so dass dieser mit hoher Geschwindigkeit ausfährt: „So ein Aktuator kann die Masse von zehn Autos stemmen.“ Beeindruckend finden das die Schüler. „Aber so viel Aufwand für eine so simple Sache“, wundert sich Philipp. Doch der Aufwand im Labor erspart Arbeit im Hangar, betont Ritter: „Wir versuchen die Bauteile zu verstehen, um Methoden zu entwickeln, mit denen wir Verschleiß erkennen und rechtzeitig vorbeugen können.“
Verschleiß unter Verschluss
Auch die Schüler versuchen zu verstehen. Gar nicht so sehr, was die Inhalte betrifft, es geht eher um die Akustik: Ritters Labor ist mit fast zwanzig Personen rappelvoll und während Sachs ein paar Schülern Grundlagen der Regelungstechnik erklärt, verwickeln Leo und Daniel den jungen Hochschulabsolventen Ritter in ein Fachgespräch über die Laborsoftware. „Informatik interessiert mich“, betont Daniel und ist damit eher ein Fall für das zuvor besuchte Avionik-Labor für elektrische Fluggeräte. „Eine Zusammensetzung aus Aviation und Electronic“, erklärt Karsten Montebaur, Teamleiter im Bereich der Avionik, das Kofferwort.
Kleine Serie, große Kosten
Über den Hang zu Anglizismen braucht man sich in einem internationalen Luftfahrtkonzern nicht zu wundern. Eher staunen die Schüler über horrende Summen und Kosten, die in der Luftfahrt kursieren. Eine nach den anspruchsvollen Behördenvorgaben des Luftrechts zertifizierte Kaffeemaschine kostet fast so viel wie ein Kleinwagen und der Steuerungsrechner eines Triebwerks bis zu 300.000 Euro. „Im Unterschied zum Consumermarkt mit seiner Massenproduktion reden wir im Flugzeugbau ja über Kleinserien, mehrere Tausend Stück“, betont Montebaur. Weil die Entwicklungskosten aber auf die Geräte umgelegt werden, sind die Luftfahrtkomponenten so teuer. „Es lohnt sich in die Instandhaltung einzusteigen, das ist der Unterschied zum Handy.“
Eine Welt für sich
So wie es sich auch lohnt, hochspezialisierte Labore mit empfindlichen Messgeräten für die Fluggeräte von morgen zu betreiben: „Die Labormitarbeiter konzentrieren sich auf die Entwicklung von Methoden, die später der Entwicklung von Test- und Prüfverfahren dienen“, wundert sich Jasper. Den 17-Jährigen beeindruckt, wie tief die Wissenschaftler bei Lufthansa Technik in ein Spezialgebiet eindringen. Für ihn persönlich wäre das nichts, er will Wirtschaftsinformatik studieren. Aber der Kurzbesuch habe sich auf jeden Fall gelohnt, so der Elftklässler. „In der Elektrotechnik ist ein Flugzeug eine Welt für sich. Da einen Einblick zu gewinnen, ist auf jeden Fall spannend.“