Bahnbrechend: Energiespeicherung nach dem Schwungmasseprinzip

15.11.2010

Ginge es nur nach dem Lärmpegel, könnte es die Anlage fast mit einer Flugzeugturbine aufnehmen. „Ist ja auch eine Pilotanlage“, scherzt Frank Steinhorst. Aber der Diplomingenieur hat nichts mit der Fliegerei im Sinn, er ist Abteilungsleiter für Energieanlagen bei der Hamburger Hochbahn. Die Schallfelder aus Druckwellen und Lüftung sind auch nur für Besucher im Unterwerk Ochsenzoll hörbar, für die 16 Oberstufenschüler vom Carl-von-Ossietzky Gymnasium beispielsweise, die der Gleichspannungsvoltanlage gerade einen Besuch abstatten. Ihr besonderes Interesse gilt aber dem Hochbahn Pilotprojekt: einem rotierenden Energiespeicher.

Stromerzeugung durch Bremsen

„Damit wird die Bremsenergie von Fahrzeugen gespeichert, die im Umkreis von zwei bis drei Kilometern anhalten“, erklärt Frank Steinhorst. Die U-Bahn, die beispielsweise gerade im Bahnhof Langenhorn-Nord einfährt, erzeugt auf ihrem Bremsweg Strom, den sie über die Schiene abgibt. Das Unterwerk Ochsenzoll nimmt die Energie auf und bringt damit eine 1,8 Tonnen schwere Schwungmasse zum Rotieren. Fährt nun die nächste Bahn zwischen Norderstedt und Langenhorn an, wird der Elektrogenerator zum Motor: Die Masse treibt die Einheit an und erzeugt Strom.

Bahnbrechend
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Zwischenspeicher für die Umwelt

Zum Zeitpunkt der Schulbesichtigung geht das allerdings nicht mehr, denn Ingo Jonassen hat das System heruntergefahren. „Im Soft Stop“, wie der Projektingenieur erklärt: Der Speicher nimmt keine Energie mehr auf und entlädt sich langsam. Das kommt dem Informationsaustausch im Unterwerk zugute, denn der Lärmpegel sinkt. Dennoch bleibt jetzt kein Zug auf der Strecke: Die Pilotanlage dient in erster Linie dem Ressourcenschutz. Sie kommt im Randgebiet zum Einsatz, wo die Taktdichte im Zugverkehr gering und damit kein Energieaustausch zwischen den Bahnen möglich ist. Ohne Zwischenspeicher würde die Energie hier zur sinnlosen Abwärme, seit 2007 bringt nun die Pilotanlage denn Energieaustausch in Schwung. „Wir haben seit dem Start der Anlage schon über eine Million Kilowatt eingespart“, erklärt Jonassen mit Stolz in der Stimme.

Hochbahn bundesweit im Einsatz

Eine beachtliche Summe, findet auch Valentin. Der 17jährige hat bereits ein vierstündiges Informationsprogramm bei der Hochbahn hinter sich gebracht; der Besuch der Pilotanlage rundet die Exkursion ab. Los ging es um 8.00 Uhr früh im Schaltwerk in Eppendorf: Was unterscheidet den HVV von der Hochbahn, fragt Gastgeber Steinhorst und erklärt, dass Dachgesellschaft und eigenständiges Unternehmen miteinander lediglich Fahrpläne und Daten abstimmen. Dass die Hochbahn sich bundesweit am Personennahverkehr wie am Metronom beteiligt, ist für die Schüler ebenso neu wie der börsenorientierte Stromeinkauf oder das Prinzip der „Unterbrechungsfreien Stromversorgungsanlagen“ - damit auch im Notfall kein Fahrgast im Dunkeln bleibt.

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Exkursion mit Praxisbezug

Starker Tobak für einen ersten Schultag nach den Ferien, oder? „Nein, gar nicht“, widerspricht Valentin. „Ich hatte sogar mehr Theorie erwartet, die Vorträge waren durch die unterschiedlichen Referenten und den praktischen Bezug sehr gut.“ Aber noch besser als zu hören, ist es, vor Ort zu sehen, wie Technik funktioniert. „In unserem Profil machen wir viele Exkursionen, das ist klasse“, so Valentin. Mitschülerin Nathalie kommt auch ganz praktisch zum Zuge: sie schaltet die Anlage wieder auf „Start“. Die Kursteilnehmer beobachten, wie der Zeiger langsam in den grünen Bereich wandert: Fährt eine U-Bahn an, geht der Zeiger wieder ins Minus, bremst eine andere Bahn, lädt der Speicher weiter auf.

Einblick in viele Bereiche

„Ein Tag großer Themenvielfalt“, fasst Physiklehrer Frank Möbius zusammen und bedankt sich für die „super Betreuung“ inklusive Bewirtung. „Wie viele Personen sich für uns heute Zeit genommen haben, das war schon beeindruckend.“ Themen wie der Stromeinkauf werden im Bereich Wirtschaft, der Energiespeicher Batterien in Chemie zum Einsatz kommen und das Thema Energiespeicherung beschäftigt die Physik schon lange. „Kooperationen sind eine gute Möglichkeit, ein Unternehmen weit über eine Betriebsführung hinaus kennen zu lernen“, findet der Physiklehrer.

Feetback erwünscht

Ob die Exkursion nicht lieber etwas handlungsorientierter verlaufen müsste, möchte Christine Stüwe, bei der Hochbahn zuständig für die technische Berufsausbildung abschließend wissen. Frank Möbius sieht das skeptisch: „Wir haben jetzt 16 Profilschüler, im nächsten Jahr werden es 27 sein, was wollen Sie da machen?“ Den Energiefluss in Schwung halten, den Austausch fördern, für Abwechslung sorgen - die Hamburger Hochbahn steht jedenfalls bereit.